Sonntag, 30. Dezember 2007

Gute Musik aus Deutschland

Ihr wisst nicht, was tun, mit dem vielen Geld, das Ihr zu Weihnachten bekommen habt? Vielleicht wollt Ihr Euch was gutes tun und Euch mal wieder eine CD kaufen. In letzter Zeit haben es mir Veröffentlichen von Bands aus Deutschland angetan, die beweisen, dass auch die Teutonen guten Indierock machen können.

Wer meint, dass jeder heiße Scheiß immer aus Großbritannien kommen muss, der irrt sich gewaltig. Er kann durchaus auch aus der Deutschen Provinz kommen, genauer gesagt aus Dinslaken. Daher kommen die Kilians, vier blutjunge Musiker, die sich auf dem Gymnasium kennen gelernt haben sich die Veröffentlichung ihres Albums Kill the Kilians vor ein paar Monaten mit bestem Indierock erarbeitet haben. Ihrem Sound hört man an, dass sie die Strokes mögen, sie klingen als wären sie direkt aus England zu uns herübergeschwappt. Aber sie sind eine wahre Perle aus Deutschland mit einem namhaften Förderer: Thees Ullman, Bandleader von Tomte und einer der Köpfe des Hamburger Indielabels Grand Hotel Van Cleef.

The Audience kommen genauso aus der tiefen deutschen Provinz, diesmal aus dem fränkischen Hersbruck. Ich hatte sie vor ein paar Wochen als Vorband von The Wombats live im Rosi’s erlebt und war so begeistert, dass ich mir kurz darauf ihr Album Celluloid gekauft (!) habe. Bei ihrer Musik handelt es sich um besten New Wave, der streckenweise an die ebenfalls sehr empfehlenswerten Robocop Kraus erinnert, aber auch furiose Franz Ferdinand Riffs beinhaltet. Auf dem Album kommt die Energie der Darbietung auf der Bühne, die vor allem vom Charisma des Sängers lebt, zwar nicht ganz so gut rüber, ist aber dennoch sehr hörenswert.

Schließlich möchte ich noch auf etwas hinweisen, das auf keinen Fall ein Geheimtipp ist. Die Beatsteaks, jene Berliner Band, die den Ärzten den ersten Platz unter den deutschen Rockkappellen streitig macht, hat vor ein paar Wochen auf ihrer Demon’s Galore EP neben dem Titeltrack einige nette Stückchen versteckt. Darunter ist so ein Knaller wie die Kooperation mit dem Rapper Dendemann (Wer A sagt muss auch B zahlen), von der ich mich nicht satt hören kann und eine kleine Überraschung, die in Nostalgie schwelgen lässt: Eine live-Aufnahme des Beastie Boys covers „Sabotage“, ein Mitschnitt vom Auftritt beim Open Air Sankt Gallen.

Wenn ich schon dabei bin, hier meine 10 Lieblingsalben des Jahres 2007:

1. The Arcade Fire – Neon Bible

2. Maxïmo Park – Our Earthly Pleasures

3. Bloc Party – A Weekend in The City

4. The Rakes – Ten New Messages

5. The Wombats – A Guide to Love, Loss And Desperation

6. Architecture in Helsinki – Places Like This

7. Stars – Set Yourself on Fire

8. Malajube – Trompe l’oeil

9. Idlewild – Make A New World

10. The Automatic – Not Accepted Anywhere

Ich wünsche allen meinen treuen Lesern einen guten Rutsch ins neue Jahr!

Donnerstag, 27. Dezember 2007

Schön war’s, und viel zu schnell vorbei

Da ich mich heute morgen schon wieder zum Arbeiten aus dem Bett quälen musste, ist die Weihnachtszeit für mich leider schon beendet. Zeit also, zurückzublicken. Wie sich gehört, wurde Weihnachten im Kreise der Familie gefeiert, nach einigem hin- und her bekam ich auch am 24.12. frei und konnte so fünf Tage in Steinen verbringen. Dieses Jahr sah ich den Feiertagen mit etwas gemischten Gefühlen entgegen, da ein Drittel der Familie fehlen würde, weil sie sich in der Weltgeschichte herumtreibt. Anne und Rémi haben uns denn auch gefehlt, ist schon was anderes, wenn nicht alle da sind. Das ist der Preis den man bezahlen muss, wenn man sich gerade in Indien respektive Thailand aufhält.

Außer diesem gewichtigen Manko waren jedoch alle Ingredienzien für schöne Tage in der Heimat beisammen. Der Aufenthalt war zwar leider doch zu schnell vorbei, um wirklich erholsam zu sein, aber doch lang genug, um richtig abzuschalten. Besonders angenehm machten ihn zudem:

- Das Wiedersehen mit der Familie nach einer gefühlten langen Zeit, allerdings hatte ich sie in Wirklichkeit nur drei Monate nicht gesehen.

- Ebenso das Wiedersehen mit vielen alten Freunden, zu Spaziergängen, netten Gesprächen und einem feuchtfröhlichen Abend beim Schultreffen im Goldenen Löwen.

- Nachbarschaftliche Idylle und heile Welt in unserem Viertel, inklusive Quartiersadventskalender.

- Die übliche Weihnachtshektik bei uns zu Hause, die glaube ich etwas ausgeprägter ist als anderswo und seltsamerweise mit den Jahren nicht abnimmt, obwohl man meinen könnte, dass sie gerade, wenn man nur zu viert feiert und nicht wegfährt, gering sein sollte. Ist aber nicht so, das gehört aber in unserem Chaoshaushalt dazu.

- Vorzügliches Schlemmen, mit leckeren Speisen und Getränken, sodass mein Magen jetzt ausgedehnt ist und ich ständig Hunger habe und noch mehr essen muss.

- Wunderbares Wetter für einen Skivormittag in Todtnauberg und schöne Spaziergänge, beides mit Alpenaussicht.

- Fast eine weiße Weihnacht mit Schneefall am zweiten Weihnachtsfeiertag und vorher weiße Anblicke durch den Raureif.

Schade, dass es so schnell rum war, vor allem, weil die Arbeit ruft. Wenn es aber zu lange wäre, wüsste man es nicht richtig zu schätzen. Ich freue mich auf das nächste Jahr, dann wieder mit der ganzen Familie. Fotos dieser Heile-Welt-Tage gibt es hier.

Montag, 17. Dezember 2007

Geschafft!

Hach, ich hab’s hinter mir: der stressige Teil der diesjährigen Weihnachtszeit ist erledigt. Nach langem hin- und her habe ich endlich am 24. Dezember Urlaub bekommen. Damit steht einem gemütlichen Weihnachtsfest mit Familie und dem Wiedersehen der Freunde in der Arbeit nichts mehr im Wege. Auch meine erste betriebliche Weihnachtsfeier habe ich gut überstanden, inklusive von der Firma bezahlte Fahrt nach Hamburg samt Übernachtung im Hotel, leckerem Essen, viel Bier und Spaß mit meinen Kollegen. Schließlich habe ich heute meine Weihnachtseinkäufe für dieses Jahr zum Abschluss gebracht. Gut, dass ich schon letzte Woche einen Erkundungsgang gemacht hatte, denn Berlins „Kulturkaufhaus“ war heute Nachmittag ziemlich bevölkert. Außerdem bin ich (fast) ohne Kaufrausch, der mich jedes Jahr zum Jahresende packt, durch die Adventszeit gekommen, Bin ich froh, dass ich dank meiner hierfür sehr praktischen Arbeitszeiten unter der Woche vor dem großen Feierabendansturm meine Einkäufe erledigen kann. Gar nicht vorstellen will ich mir den Horror des Wochenendweihnachtseinkauf, am besten an einem der vier verkaufsoffenen Adventssonntage. Das meide ich wie die Pest! Mein Weihnachtsbummel in der recht geschmackvoll beleuchteten Friedrichstraße hat mir seit langem mal wieder eine „Promi“-Sichtung beschert, den Fußballprofi vom VFL Wolfsburg Pablo Thiam samt familiärem Anhang. Was man nicht alles bemerkt, wenn man aufmerksam durch die Straßen geht...

Nun kann ich mich auf die angenehmen Dinge konzentrieren: Glühweintrinken mit den Kollegen nach der Arbeit und Vorfreude auf eines der unstressigsten Weihnachten seit Jahren mit gutem Essen und Trinken in heimatlichen Gefilden.

Es gibt übrigens Hoffnung für das nächste Jahr: Die Kaufkraft soll 2008 überdurchschnittlich steigen, jedenfalls stärker als die Inflation. Interessant auch: Jeder deutsche bürger hat 2007 im Schnitt 18.734 Euro jährlich zur Verfügung, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Die geographische Verteilung ist wie zu erwarten: Es gibt ein starkes Süd-Nord, sowie ein West-Ost Gefälle. Nachzulesen bei Spiegel Online.

Sonntag, 16. Dezember 2007

Das letzte Konzert '07

Nachdem unser geplanter konzertischer Jahresabschluss im White Trash Fast Food ein Reinfall war, musste dringend Ersatz gefunden werden. Das exzellente Konzertjahr 2007 musste ja einen versöhnlichen Abschluss finden. Glücklicherweise konnten wir noch ein schönes Schmankerl auftreiben: Am Dienstag fand im Kesselhaus der Kulturbrauerei das Polarzoo Festival statt. Hier traten je eine Band aus jedem der fünf skandinavischen Länder auf, dazwischen liefen Videoclips und Kurzfilme. Eine sehr viel versprechende Veranstaltung also.

Die erste Gruppierung, Desert Planet aus dem finnischen Lappland, habe ich leider verpasst, da ich vor dem Konzert noch auf dem Weihnachtsempfang meiner alten Kollegen von der kanadischen Botschaft war. Aber ich glaube, dass mir der Game-Boy-Elektro-Sound der Band auch nicht so gefallen hätte. Dafür kamen wir gerade rechtzeitig für eine musikalische Neuentdeckung, Ida Maria aus Norwegen. Die nach ihrer Sängerin benannten Band spielte auf der Bühne einen Indie-Rocker nach dem anderen und begeisterte mit ihrer von Punk Attitüden beeinflussten Bühnenperformance das recht spärliche und eigentlich eher lahme Publikum. Auf der (norwegischsprachigen) Website der Band gibt es ein paar Songs zum kostenlosen Download. Es folgt aber sicher in den nächsten Monaten ein Album.

Die schwedische Band Last Days of April ist auch noch eine (vom alter her) recht junge Band, die aber schon lange Bestand hat und sich durch zahlreiche Auftritte in Deutschland, u.a. bei den großen Festivals und im Vorprogramm der Sportfreunde Stiller, einen Namen gemacht hat. Die Band um Sänger Karl Larsson spielt nette und sehr schöne Indie-Rock und Pop Lieder, die ich ganz gerne höre. Auf der Bühne fehlt allerdings die letzte Konsequenz. Das das Publikum wie gesagt ziemlich lahm war, sprang folglich in der Kulturbrauerei der Funke nicht wirklich herüber. So hatte man zwar das vergnügen, guter Musik zu lauschen, wirklich spannend war das ganze aber nicht.

Höhepunkt des Abends und für viele der wahre Grund für den Konzertbesuch waren zweifelsohne die Dänen von Kashmir. Ihr etwas düsterer, tragender, eher ruhiger Rock kann einen nicht kalt lassen. Die Musik hat was von Interpol, aber irgendwie erinnern manche Riffs auch an die Dire Straits. Jedenfalls kann man richtig schön in ihr eintauchen. Endlich wachte nun auch das Publikum auf! Auch wenn der Auftritt aufgrund des sehr engen Zeitplans ziemlich schnell vorbei war, machten Kashmir den Abend mehr als lohnenswert. Alle konzerttauglichen (also die flotteren) Songs wurden gespielt, sodass man zufrieden nach Hause gehen konnte. Ja, zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich die letzte Band, Wulfgang aus Island, nicht abgewartet habe und mich auf den Heimweg machte. Es war allerdings schon fast 12 und ich wusste, dass mein Wecker am nächsten Morgen um 5 Uhr klingeln würde. Man hat es schon schwer als Arbeitnehmer...

Zum Abschluss noch ein kleines Quiz aus dem Alltag im Neuköllner Multi-Kulti-Kiez. Was bezeichnet Eurer Meinung nach ein „Antrikot“ bei meinem türkischen Metzger? Ich freue mich jedenfalls schon darauf, es mir heute Abend in di Pfanne zu hauen.

Montag, 10. Dezember 2007

Auch Busfahren kann sich lohnen...

... allerdings muss man ein wenig Zeit mitbringen. Ich habe mich heute spontan entschieden, da ich ohnehin am Bahnhof Zoo was zu erledigen hatte und dort aus der U-Bahn aussteigen musste, von dort mit dem Bus weiter nach Neukölln zu fahren. Nach einem kleinen Schlenker über den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche (nicht schlecht, aber zu sehr Fressmarkt) und ins Foyer des KaDeWe, dessen Weihnachtsdeko mich interessierte (kitsch pur) stieg ich also in den M29. Jeder Tourist kennt den 100er (bzw. 200er) Bus als Sightseeing Tipp, doch auch der M29 ist sehr lohnenswert. Wichtig ist natürlich, sich im oberen Stock ganz nach vorne zu setzen, so hat man eine perfekte Panoramafahrt vom Wittenbergplatz über die Urania, ein Stückchen am Landwehrkanal entlang, westlich am Sonycenter vorbei, weiter zum Anhalter Bahnhof, zum Checkpoint Charly, dann über Moritzplatz, Oranienplatz, Heinrichplatz und Görlitzer Bahnhof durch Kreuzberg, um schließlich über Pannierstraße und Sonnenallee zum Hermannplatz zu gelangen. Da bin ich auch schon fast zu Hause. Gut, mit der U-Bahn ist man doppelt so schnell, aber da sieht man nichts. Es hat schon was durch die zunhemende nchmittägliche Dämmerung auf einem Panoramaplatz durch Berlins Straßen zu kurven. Man muss sich halt die Zeit nehmen.

Sonntag, 9. Dezember 2007

Frustration und Weihnachtsstimmung

Für den Freitag Abend hatte Thomas uns ein tolles kleines Konzert ausgeguckt, die Motor FM Weihnachtssessions im White Trash Fast Food, u.a. mit The Fashion und Soko. Letztere hatte mit dem Song „I Kill Her“ einen kleinen Überraschungshit, der in manchen Radiosendern hier rauf und runter lief, und das obwohl die Dame nicht mal einen Plattenvertrag hat. Die deutschen liebten halt schon immer Frauen mit französischem Akzent, die ist aber auch süß, die kleine, wie man sich hier überzeugen kann. Nur hatten wir leider den Ansturm auf die Veranstaltung unter- und die Größe des Clubs überschätzt. So kam es, dass wir trotz pünktlichem Erscheinen zum Einlass um 19 (!) Uhr und 45 Minuten anstehen, während derer die Schlange kaum voranging, nicht rein kamen. Das war sehr ärgerlich und frustrierend. So mussten wir uns halt mit Biertrinken gehen begnügen, in einer Ecke Berlins, in der man sich nicht soo gut auskennt irgendwie auch blöd.

Derweil warte ich darauf, endlich das O.K. meiner Hamburger Chefin zu bekommen, um mir am 24.12 frei nehmen zu können (mehr gibt’s eh nicht) und versuche mich langsam in Weihnachtsstimmung zu versetzen. Diese kommt dieses Jahr nämlich nicht wirklich auf. Deshalb habe ich ein wenig für Weihnachtsdekoration in meiner Wohnung gesorgt und mit einfachen Mitteln ein weihnachtliches Fenster dekoriert. Deutlich besser funktionierte jedoch in diesem Unterfangen mein gestriger Besuch auf dem Alt-Rixdorfer Weihnachtsmarkt auf meinem Neuköllner Lieblingsplatz, dem Richardplatz. Die Einzigartigkeit an diesem Weihnachtsmarkt besteht darin, dass er sich vom Kommerz sämtlicher anderer Berliner Märkte (es gibt laut meiner Zählung auf weihnachtsmarkt-deutschland.de deren 36) abhebt. Erstens dauert er nur ein Wochenende und zweitens ist er fast frei von gewerblichen Ständen, sondern wird von lokalen Vereinen und Wohltätigkeitsorganisationen betrieben. Das gibt dem ganzen eine nette und familiäre Stimmung, die mir sehr gut gefallen hat. Ich habe deshalb den Versuch unternommen, das ganze fotographisch festzuhalten, aufgrund der Dunkelheit sind die Bilder aber nicht berauschend.

Donnerstag, 6. Dezember 2007

Aufstocker? Ich denke schon…

Als ich Ende letzter Woche aus Hamburg zurückkehrte, erwarteten mich in meinem Briefkasten vier Briefe mit Absender Jobcenter Neukölln. Briefe vom Jobcenter bedeuten nicht immer schlechte Nachrichten, im Gegenteil. In diesem Fall sorgten sie für eine im Ergebnis positive Überraschung.

Wie ich bereits erwähnt habe, ist mein Verdienst bei meiner neuen Arbeitsstelle ziemlich dürftig. Allerdings habe ich Netto dennoch deutlich mehr zur Verfügung als vorher. Trotzdem wurde mir folgendes vorgerechnet:

· Die Sicherung des Lebensunterhalts beträgt im Monat 347 Euro

· Hinzu kommen meine Warmmiete inklusive Heizkosten, exklusive Stromkosten

· Das ergibt einen monatlichen Bedarf von gut 600 Euro. Soviel erhielt ich bisher ungefähr monatlich ausbezahlt.

· Als Empfänger von Sozialleistungen kann man die ersten 150 Euro ohne Abzüge hinzuverdienen, danach werden graduell Leistungen abgezogen.

· Jedenfalls ergab die Rechnung (die ich nicht ganz verstanden habe), dass ich weiterhin gut hundert Euro monatlich Wohngeld von der Sozialkasse überwiesen bekomme.

Das sehe ich ein wenig mit gemischten Gefühlen. In rein materieller Hinsicht nimmt man das Geld natürlich sehr gern. Hundert Euro, das macht 4 Konzertabende... Zumal hinzu kommt, dass ich weiterhin das Sozialticket für die öffentlichen Verkehrmittel und diverse andere Vergünstigungen verwenden kann. Andererseits habe ich moralische Bedenken dabei, denn ich denke, dass ich auch so über die Runden käme und unser Sozialsystem ausnutze. Dabei habe ich nichts beantragt, die Leistung wurde mir ohne mein weiteres Zutun angetragen. Mein eigentliches Problem ist auch, dass ich es skandalös finde, wenn Arbeitgeber es sich erlauben können, ihre Angestellten, egal ob Volontäre oder nicht, so schlecht zu entlohnen, dass sie weiterhin als bedürftig betrachtet werden. Hat man fünf Jahre studiert, um Hartz-IV-Aufstocker zu werden?

Eins ist mir durch all diese Dinge klar geworden: Auch wenn ich nicht dauerhaft in dieser Situation sein möchte und ich vielleicht trotz allem zu den Privilegierten gehöre, da ich im Hintergrund wohl situierte Eltern habe und ich zudem die Perspektive habe, dass es in Zukunft finanziell aufwärts geht. Auch wenn es vielleicht problematisch ist, dass man von der Administration des Jobcenters nicht immer unbedingt als Person wahrgenommen wird und vieles über seine private Situation offen legen muss (ich muss ab jetzt meine monatliche Gehaltsabrechnung einreichen). Im Ergebnis habe ich durch meine bisherigen Erfahrungen festgestellt, dass das deutsche Sozialsystem den Zweck erfüllt, für den es geschaffen wurde: zu vermeiden, dass einen die Wechselfälle des Lebens existentiell aus der Bahn werfen. Man muss zwar Prioritäten setzen und gut Haushalten, aber man kommt zurecht. Problematisch wird es dann, wenn eine prekäre Situation sich dauerhaft einstellt.

Zum Schluss noch was ganz anderes für alle, die sich für den Wahlkampf der kommenden amerikanischen Präsidentschaftswahl interessieren, da am 3. Januar die Vorwahlen in Iowa beginnen. Hier gibt es eine sehr gute Beschreibung dessen, wie dieser caucus abläuft und warum alle darüber berichten. Aber keine Sorge, da ich das ganze sehr genau verfolge, werde sicher in den nächsten Monaten mal drüber schreiben...

Dienstag, 4. Dezember 2007

Konzerte in Hamburg – Nr. 2, Vic Chesnutt

Nun ist das Konzert zwar schon einige Tage her, doch ich will Euch den Bericht dazu nicht vorenthalten. Denn es hat einen anhaltenden Eindruck hinterlassen. Das Konzert der Super Furry Animal war gerade mal zwei Abende her, da begab ich mich wieder ins Übel & Gefährlich. Auch an diesem Donnerstag Abend war es nicht sonderlich gefüllt, doch dieses Mal überraschte mich dieser Umstand nicht. Denn ich ging nicht davon aus, dass die Musiker, die auf der Bühne stehen würden, große Publikumsmagneten sein würden, was nicht gegen die Qualität der Musik sprechen soll, ganz im Gegenteil. Ohne den guten Tipp eines Freundes wäre mir das Konzert auch durch die Lappen gegangen.

Vic Chesnutt ist ein Singer Songwriter aus den amerikanischen Südstaaten, der musikalisch im Bereich des Folk angesiedelt ist. Er ist seit einem schweren Autounfall vor einigen Jahren teilweise gelähmt und sitzt deshalb im Rollstuhl. Vic Chesnutt besitzt ein hohes Ansehen unter Musikerkollegen, sodass er immer sehr gute Leute um sich zu versammeln vermag, wenn er ein neues Album aufnimmt. Sein aktuelles Werk, North Star Deserter, nahm er mit Mitgliedern der Washingtoner Band Fugazi und einigen etablierten Heroen von Montreals Indieszene, vornehmlich Mitglieder von Thee Silver Mount Zion Orchestra (Voller Name: Thee Silver Mount Zion Memorial Orchestra and Tralala Band, Almuth erinnert sich noch an unseren unvergesslichen Konzertbesuch im Clinton's in Toronto). So trifft das Beste aus den Südstaaten und Quebec zusammen und vereint seine musikalischen Kräfte.

Diese Musiker bilden denn auch seine Begleitband für die laufende Tour. Heraus kommt tief- melancholische Musik, die einen live total packt. Die Platte ist zwar auch ein Ohrenschmaus (der sich beim ersten Hören noch nicht unbedingt erschließt), erst live entwickelt sich jedoch die ganze Kraft der Musik. Das Zusammenspiel von Gitarren, Baß (ein echter Kontrabass) und Streichern treibt die Musik in solche Sphären, dass man von ihr durchlaufen wird. Schließlich ist natürlich auch Vic Chesnutt selbst ein beeindruckender Sänger. Wie ein so zerbrechlich wirkender Mensch eine solche Gesangsgewalt entwickeln kann ist kaum zu glauben. Und die Texte zwischen Traurigkeit, Melancholie, Zynismus und Ironie setzen auf das ganze ein i-Tüpfelchen. Das waren 120 Minuten Musik, die mich sehr berührt hat und die ich nicht so schnell vergessen werden!

Samstag, 1. Dezember 2007

Konzerte in Hamburg: Nr. 1 – Super Furry Animals

Wenn man sich für ein paar Tage in einer fremden Stadt aufhält und dort keine Bekannten hat, mit denen man seine Abende verbringen könnte, stellt sich immer die Frage, wie man nach getanem Tagewerk seine Zeit vertreibt. Man will ja nicht im Hotelzimmer vor der Glotze kleben. Was liegt also näher, als Konzerte anschauen zu gehen? In diesem Fall traf es sich sehr gut, das während meines Aufenthaltes zwei Bands in Hamburg spielten, die ich beide gerne sehen wollte. In Berlin spielten sie am selben Abend, sodass ich mich für eine von beiden hätte entscheiden müssen. Das Schicksal meinte es aber gut mit mir, schickte mich just in dieser Woche nach Hamburg und ließ die Bands dort an verschiedenen Tagen im Übel & Gefährlich auftreten.

Das Übel & Gefährlich verdient als interessante Location eine Erwähnung. Der Club ist in einem mehrstöckigen Bunkerbau direkt am Heiliggeistfeld untergebracht, das aussieht, wie ich mir Askaban, das Gefängnis aus Harry Potter vorstelle. Wie man so etwas bauen kann? Man kommt in den Club, der im 4. Stock liegt, nur über einen Warenaufzug herein, der von einem Aufzugführer betreut wird. Das Gibt dem ganzen einen gewissen Charme, zumal der Club, innen auch ganz nett ist, nur die Bierpreise sind im Vergleich zu Berlin doch recht gehoben.

Dass die Super Furry Animals in so einem kleinen Rahmen spielen, fand ich recht überraschend. Die Konzertveranstalter glaube ich auch, da das Konzert vom größeren Grünspan hierher verlegt wurde. Selbst das Übel & Gefährlich war bei weitem nicht voll. Ich wusste zwar, dass SFA in Deutschland nicht gerade Superstars sind, doch es gibt sie immerhin schon seit Mitte der 90er Jahre und sie haben eine Reihe sehr ordentlicher und stets beachteter Alben herausgebracht, sodass ich gedacht hätte, dass sie sich doch eine etwas größere Fanbasis erarbeitet hätten. Zumal sie in England einige Charterfolge hatten und dort Mittelgroße Hallen füllen, wovon man sich auch in Michael Winterbottoms Musik- und Sexfilm 9 Songs überzeugen kann.

Nun ja, so konnte eine recht intimen Runde einem exzellenten Konzert lauschen. Die SFA machen recht experimentierfreudigen Pop, sind sehr offen für technologische Neuerungen und Einflüsse und decken eine Bandbreite ab, die von elektronisch-sphärischen Klängen zum bodenständigen Rock reichen. Auch unkonventionelle Klanerzeugungsmittel wie Chips essen vor dem Mikrophon (klingt gut) werden genutzt. Außerdem haben sie einen ziemlichen Knall, treten in Kleidung mit aufgestickten Band-Artwork in Neonfarben auf und der Sänger Gruff Rhys zieht gerne mal eine Motorradhelm-Monstermaske auf und läuft damit durchs Publikum. Gespielt wurden erstaunlich wenige Lieder vom neuen Album und viele ältere Songs. Das fand ich etwas schade, da ich vor allem des 2005er Album Love Kraft sehr mag, das etwas vernachlässigt wurde. Auch von den Stücken in walisischer Sprache gab’s leider nur eine Kostprobe in Form des Hits Calimero, das hatte ich aber erwartet.

Fazit: ein sehr sehenswertes Konzert. Auch mit 1h45 von der Dauer her überdurchschnittlich. Nach einer Stunde kam die Ansage, SFA bauten ihre Konzerte wie Fußballspiele auf und machten eine Halbzeitpause (von knapp 5 Minuten). Dafür wurde auf die Scheinheiligkeit von Zugaben verzichtet. Wenn zudem auf Vorbands verzichtet wird und dafür die Hauptband angemessen lange spielt, kann das von mir aus immer so sein.

Freitag, 30. November 2007

Auf Geschäftsreise

Wie komisch das klingt... „Ich war diese Woche auf Geschäftsreise in Hamburg“. Aber so nennt man es nun einmal, wenn man für den Beruf unterwegs ist. So habe ich diese Woche vier Tage in Hamburg verbracht, weil dies meine Arbeit erforderte. In der Tat befindet sich dort der Hauptsitz meines Arbeitsgebers. Das Berliner Büro wo ich arbeite ist nur eine kleine Niederlassung, der Großteil des Betriebs befindet sich in der Hansestadt. Ich reiste deshalb dort hin, um meine Abteilungsleiterin und meine dortigen Kollegen und Kolleginnen (mit sehr großer Mehrheit letztere) kennen zu lernen, da ich dank der modernen Kommunikationsmittel sehr viel mit ihnen zusammenarbeite. Zudem wurde ich in einigen für meine Tätigkeit wichtige Bereichen geschult, beispielsweise bezüglich der Ermittlung von Mediadaten und der Medienanalyse, in die ich ab jetzt einsteige. Alles sehr interessant und sehr nett. Außerdem fast ein bisschen erholsam, da ich erst um 8 Uhr zur Arbeit musste. Wie toll!

Das Unternehmen liegt im sehr netten Hamburger Stadtteil Eimsbüttel, sodass ich auch in dieser Ecke in einem kleinen Hotel untergebracht war. Dieses war nur einen Katzensprung vom Schanzenviertel entfernt. Dies war sehr praktisch, denn die Schanze ist eine Ecke die mir sehr gut gefallen hat und durch die ich Abends auf meinen Erkundungsgängen gerne herumspaziert bin. Zudem hatte ich mir zu meiner Abendunterhaltung den Besuch zweier Konzerte vorgenommen, die auch in dieser Gegend stattfanden. Mehr dazu aber in den nächsten Tagen (Ich kann also diejenigen, die das nicht interessiert schon einmal vorwarnen, dass sich in den nächsten Tagen ein Besuch meines Blogs für sie nicht lohnt). Jedenfalls lohnt sich allein für das Schanzenviertel, stark vereinfachend kann man es als das Kreuzberg Hamburgs bezeichnen, der Besuch der Hansestadt, denn es gibt dort eine wunderbare Stimmung und sehr viele vielversprechende Kneipen.

Natürlich habe ich mir auch die Hamburger Innenstadt, noch einmal angeschaut. Alles leider nur Abends und im dunkeln, aber was will man machen, wenn man arbeitet. Dass Hamburg sehr sehenswert ist, muss man nicht erwähnen. Was mir allerdings aufgefallen ist, ist dass die Innenstadt schon bei weitem edler ist, als was man aus Berlin gewohnt ist. Außerdem war Weihnachtsmarkt überall. Ich finde, diese Weihnachtsmärkte werden langsam zu viel. Der auf dem Rathausplatz war ja noch in Ordnung, schön in Holzhütten, wenn auch rammelvoll. Aber wie auf dem Jungfernstieg Stände in weißen Plastikpavillons? Das geht gar nicht. Davon abgesehen gehören Weihnachtsmärkte in süddeutsche Altstädte (gut, es gibt auch ein paar norddeutsche Traditionsweihnachtsmärkte). Anderswo ist es reiner Kommerz.

Einen deprimierenden Kontrast zum innerstädtischen Weihnachtsmarkt bot übrigens der Hamburger Dom, das traditionsreiche Volksfest auf dem Heiliggeistfeld, an dem ich zufällig vorbeikam und einen Blick darauf warf. Dort war kaum was los, die Schausteller froren sich den Arsch ab und ich stellte fest, dass ich mit solchen Jahrmarktgeschichten überhaupt nichts anfangen kann.

Montag, 26. November 2007

Spandau

In Berlins Mitte gibt es ja bekanntlich – abgesehen vom künstlichen Nikolaiviertel – keine Altstadt. Das liegt weder an der Tatsache, dass Berlin für europäische Verhältnisse keine sonderlich alte Stadt ist, noch an der sehr starken Zerstörung aller Bausubstanz von Berlins Mitte durch die Bomben des Zweiten Weltkriegs. Vielmehr wurde, statt zu retten, was zu retten war, vieles danach platt gemacht, auch in den 1950er und 1960er Jahren, um die damaligen städtebaulichen Vorstellungen umzusetzen. Dies gilt übrigens für Ost und West gleichermaßen, man brauche sich nur das Europacenter am Breitscheidplatz anzuschauen.

Dennoch kann man in Berlin nette Altstädte bestaunen, nämlich in den Außenbezirken. Dies gilt am östlichen Ende der Stadt für Köpenick, das ich im Sommer mehrmals besucht hatte und das durch den Reichtum an Wasser rundherum durchaus seinen Charme hat. Am anderen Ende Berlins, tief im Westen, liegt mit Spandau ein Stadtteil, der – im übrigen ebenso wie Köpenick – deutlich älter ist als Berlin. Auch hier wurde durch den Krieg und in den Folgejahren durch die Bagger viel zerstört, doch man besann sich rechtzeitig auf den Wert der mittelalterlichen Altstadt um diese in Teilen zu erhalten. So mischen sich zwar zahlreiche moderne Bauten zwischen die Fachwerkhäuser, doch die ursprüngliche anlagen der Gassen und Plätze um die sehr malerische Nikolaikirche sowie ein Stückchen erhaltene Stadtmauer geben dem Ortskern doch einen sehr netten Altstadtcharakter, den man sonst wo in Berlin vermisst. Fotos!

Richtig lohnenswert macht die Fahrt nach Spandau der zusätzliche Besuch der Zitadelle. Diese stammt aus dem 16. Jahrhundert, integriert aber Bestandteile einer Burg aus dem Mittelalter. Vollständig aus Backstein gebaut, ist die Zitadelle Spandau eine der größten und besterhaltenen Renaissance-Festungen in Europa. Das Bauwerk ist tatsächlich imposant und durch seine Umzirkelung durch Wasser eine ruhender Koloss, wo man gut Zeit vertrödeln kann, um ihn zu erkunden. Dort sind heute zahlreiche kulturelle und künstlerische Einrichtungen untergebracht und es gibt ein Fledermausinformationszentrum, da ca. 10000 von ihnen in den Kellern der Zitadelle ihr Winterquartier gefunden haben. Das macht das historische Bauwerk gleichzeitig zu einem bedeutenden Naturdenkmal. Mehr Infos hier.

Sonntag, 25. November 2007

Fortbewegung im Winter

Wenn Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt herrschen, wie dies im Moment der Fall ist, hält sich die Lust in Grenzen, das Fahrrad als Fortbewegungsmittel zu nutzen. Damit ist man auf das öffentliche Nahverkehrsnetz angewiesen. Dieses gilt in Berlin (zurecht) als exzellent ausgebaut. Vor allem der 24-Stunden Betrieb ist von unschätzbarem Wert. Am Wochenende fährt sogar die U-Bahn die ganze Nacht. Allerdings richtet sich die Fahrtdauer in Berlin nicht unbedingt nach der zu überwindenden Distanz, vor allem Abends, wenn die Taktzeiten zwischen den Bahnen recht groß sind...



Größere Kartenansicht

Ein Beispiel durfte ich zum wiederholten Male gestern Abend erleben, da ich mich von Neukölln nach Friedrichshain begeben wollte, um am Kiez östlich der Warschauer Straße den Abend zu verbringen. Eigentlich ist das ein Katzensprung, mit dem Fahrrad braucht man keine 15 Minuten. Mit U-Bahn und Tram kann man das mit Glück zwar auch fast schaffen, man sollte aber eher eine halbe Stunde und Warten in der Kälte einkalkulieren. Denn man muss 3 Mal Umsteigen, ohne länger als drei Stationen in der selben Bahn zu bleiben.

Die Erklärung für diesen Umstand liegt, wie so oft in dieser Stadt, an der Teilung Berlins. Denn Neukölln und Friedrichhain lagen auf unterschiedlichen Seiten der Mauer. Auch wenn die Verkehrsinfrastruktur Berlins teilweise durchaus älter ist als die die Stadtteilung, setzten Ost- und Westberlin später auf unterschiedliche Schwerpunkte im öffentlichen Nahverkehr. Während im Westen das U-Bahn-Netz kräftig ausgebaut wurden und die Trams schrittweise eingemottet wurden, war im Osten die Tram das Verkehrsmittel, das ausgeweitet wurde. Zudem war die Verbindung zwischen den Verkehrsnetzen nicht mehr wirklich eine Priorität. Heute ist dies nicht überwunden, auch wenn inzwischen die Tram auch wieder gen Westen rollt und Buslinien manche Lücken schließen. Doch ein Blick auf den Verlauf der U- und S-Bahn-Linien lässt teilweise noch immer auf den Grenzverlauf schließen. Hier gibt es Massenweise historische S- und U-Bahn Pläne. Besonders interessant ist derjenige, als die Grenzen schon offen waren, das Netz aber noch nicht integriert war.

Nun ja, auf dem Heimweg wiederholt sich das ganze Spiel natürlich und ich schwor mir gestern zu wiederholten Mal, dass ich nächstes Mal für diese Strecke wieder das Fahrrad nehme. Denn beim Warten auf die Bahn (oder beim Laufen, da es so lang dauert bis die nächste Tram kommt), friert man mehr als auf dem Rad.

Freitag, 23. November 2007

Gescheitert!

Ich ahnte es schon seit ein paar Tagen, als ich mitbekam, dass meine Mitbewerber per E-Mail eine Zusage erhalten hatten, in meinem Posteingang aber gähnende Leere herrschte. Heute war dann schließlich die Absage vom Auswärtigen Amt in meinem Briefkasten. Ich werde also nicht in den Auswärtigen Dienst einsteigen. Damit wird sich dieser berufliche Wunsch für mich nicht erfüllen. Schade. Aber das Leben geht weiter, es gibt auch noch viele andere berufliche Tätigkeiten auf der Welt! Außerdem ist es nicht meine Art, in Depressionen zu verfallen. Vor einem Monat, las ich noch arbeitslos war, hätte mich diese Nachricht viel härter getroffen.

Dienstag, 20. November 2007

Schwimmen im Museum

Jetzt, wo ich meine Tage als Bürohengst sitzend vor zwei Computerbildschirmen verbringe und es viel zu kalt ist, auch nur daran zu denken, den Weg zur Arbeit mit dem Fahrrad zurückzulegen, wächst in mir wieder das Bedürfnis nach körperlicher Ertüchtigung. Dies habe ich heute umgesetzt, indem ich dem Stadtbad Neukölln, nur ein Katzensprung von meiner Wohnung entfernt, einen Besuch abgestattet habe. Das lohnt ich nicht nur in sportlicher Hinsicht, sondern erlaubt gleichzeitig einen archi- tektonischen Hochgenuss.

Das Stadtbad Neukölln wurde in den 1920er Jahren erbaut und in den 1990ern denkmalschutzgerecht restauriert. Es hat zwei Schwimmhallen, ursprünglich je eine für Männer (die große), eine für Frauen (die kleine) und verschiedene Saunaeinrichtungen (die ich aber nicht gesehen habe, da sie extra kosten, aber sie auf Bilder viel versprechend aussehen). Zum Schwimmen ist die Funktionalität der Becken nicht optimal, da sie an einem Ende jeweils ziemlich flach sind. Allerdings ist es ein Erlebnis, in einem solchen Jugendstilbau seine Bahnen zu ziehen, umgeben von korinthischen Säulen, Mosaiken und Wasser speienden Walrossen. Wie Schwimmen in einem Museum.

Sonntag, 18. November 2007

Interpol

Nachdem ich sie innerhalb von 8 Monaten Berlin nie besucht hatte, ging es gestern Abend zum zweiten Mal innerhalb von zehn Tagen in die Columbiahalle. Denn dort spielte eine Band, die ebenso wie Arcade Fire zu den Lieblingen von Independent Musik zählt: das New Yorker Quartett Interpol. Aufgrund der krankheitsbedingten Schwäche meines Konzertbegleiters entschieden wir uns diesmal, der tribünenartig angelegten Empore eine Chance zu geben, was sich als sehr gute Wahl erwies. Wir standen dort auf der ersten Tribünenstufe und hatte dadurch eine hervorragende Sicht sowohl auf die Bühne als auch auf das Publikum, beides sehr sehenswert. Leider ist das Publikum dort sehr träge, dafür hat man ausreichend Bewegungsfreiheit, um selbst ungestört tanzen zu können.

Blonde Redhead hieß die Vorband, ein mit Interpol befreundetes Trio aus New York, bestehend aus zwei Herren mit ersten Ergrauungserscheinungen und einer jungen Dame, die ihr Gesicht gerne hinter ihren Haaren verbirgt oder zu Boden schaut. Von Musikkritikern sehr geschätzt und musikalisch recht niveauvoll konnten mich Blonde Redhead nicht überzeugen. Zum einen kann ich mit dem Hauchgesang der Sängerin nicht viel anfangen, zum anderen ist ihre Musik nicht wirklich mitreißend und eignet sich eher zur Hintergrundberieselung. Zudem verzichten die drei auf jegliche Interaktion mit dem Publikum und vor allem die lasziv-provokante Tanzweise der Sängerin ging mir ziemlich auf die Nerven. Gut, dass danach noch was besseres kam, was die Vorband vergessen machte.

Denn Interpol ist einfach eine hervorragende Band. Ihre mittlerweile drei Alben bieten durchgehend gute Songs von bester Rockmusik mit düsteren Anklängen und hochwertigen Texten. Damit können problemlos anderthalb Stunden Konzertunterhaltung gefüllt werden. Die vier Bandmitglieder (und der Tour Keyboarder) sind zwar keine Social Animals und reduzieren ihre Interaktion mit ihren Zuschauern auf das Minimum, auch schwingt bei ihnen keine so große Begeisterung mit wie bei anderen Bands. Die Musik für sich alleine reicht aber schon, um den Konzertbesuch lohnenswert zu machen. Man wird regelrecht von ihr umschlungen. Das ganze wird zudem begleitet durch die Beleuchtung, die der Darbietung den nötigen feierlichen Rahmen gibt. Erstaunlicherweise wurde aber, entgegen diversen Live-Berichten, komplett auf Nebeleffekte verzichtet.

Die sehr tragende Stimme des Leadsängers Paul Banks büßt zudem live nichts von ihrer Qualität ein. Besonders sehenswert ist auf der Bühne außerdem der Gitarrist Daniel Kessler, der nicht nur unverschämt gut aussehend und ein Gitarrenvirtuose ist, sondern sehr interessante Schrittchoreographien hinlegt. Dafür allein lohnte sich die gute Sicht von der Empore aus.

Noch ganz was anderes zum Schluss: Meine Schwester und ihr Freund Till sind auf ihrer Asienreise inzwischen in Indien angekommen. Anne hat ihren französischsprachigen Blog zwar inzwischen eingestellt, Till ist aber weiterhin sehr fleißig und stellt vor allem wunderbare Fotos ins netz. Zuletzt atemberaubende Bilder aus Darjeeling.

Donnerstag, 15. November 2007

Moabit

Da fort meine Arbeit liegt, verbringe ich seit neuestem sehr viel Zeit in einer Ecke Berlins, die bisher nicht so sehr auf meinem Radarschirm aufgetaucht war, in Moabit. Das Viertel ist Teil des Altbezirks Tiergarten und wird durch Wasserstraßen begrenzt: Spree, Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal, Westhafenkanal und Charlottenburger Verbindungskanal. Der Name Moabit hat übrigens wohl einen französischen Einfluss, denn seine ersten Bewohner waren die Hugenotten, die vor den religiösen Verfolgungen in Frankreich geflüchtet waren. Wie er sich herleitet, das ist nicht ganz klar. Mir gefällt die Interpretation einer Mischung aus „terre maudite“ und dem Berlinischen „Moorjebiet“.

Erstaunlicherweise ist die Gegend trotz ihrer Nähe zum Zentrum – sie grenzt immerhin direkt an den Tiergarten – kein bisschen hip oder in, sodass sich selten ein Tourist hinverirrt und die Bewohner größtenteils unter sich sind. Damit behält Moabit weiter seinen Flair als Arbeiterviertel. Allerdings ist die Atmosphäre ganz anders als in Neukölln. Der Migrantenanteil ist deutlich geringer, hier lebt eher die alt eingesessene Bevölkerung. Zumindest ist dies der Eindruck, den man hat. Die Turmstraße, Haupteinkaufsstraße des Viertels, ist auch deutlich weniger belebt als die Karl-Marx-Straße in Neukölln. Man fühlt sich eher wie in einer hässliche Provinzstadt.

Damit hat Moabit nicht wirklich viel sehenswertes zu bieten. Dafür kann man hier wie bereits erwähnt sehr günstig Mittagessen, ich hoffe, die Fotos aus der Markthalle vermitteln ein bisschen die Atmosphäre, die dort herrscht. Übrigens ist der „Hallen Imbiss“ zugepflastert mit Memorabili der 80er Jahre Serie „Drei Damen vom Grill“. Ich kenne jemand, die bei ihrem nächsten Berlin Besuch sicher dort gerne eine Boulette essen will...

Sonntag, 11. November 2007

Meine erste Woche

In Berlin hat es dieses Wochenende geschneit. Kein toller Schnee, sondern nasser Matschschnee. Deswegen stellte ich mir erst gar nicht die Frage, ob ich irgendwas unternehmen sollte, sondern verkroch mich in meiner kuscheligen Wohnung und nutzte die Gelegenheit, um meine erste Arbeitswoche Revue passieren zu lassen. Da manche Leute sich schon beschweren, werde ich an dieser Stelle auch einige Sätze dazu verlieren.

Zu den Inhalten meiner Tätigkeit werde ich mich zu gegebener Zeit äußern, wenn ich schon etwas mehr gemacht und mitbekommen habe. Ich kann jedoch schon die Rahmenbedingungen erläutern. Zunächst einmal ist es schon eine Umstellung, wieder einer regelmäßigen Tätigkeit nachzugehen. Ich habe zwar in den vergangenen Monaten stets versucht, mein Leben in halbwegs geregelten Abläufen zu leben, aber wenn ich mal einen Tag Lust hatte, nichts zu tun, dann habe ich halt nichts getan. Das geht jetzt natürlich nicht mehr. Was mir noch sehr schwer fällt und woran ich mich hoffentlich zumindest halbwegs gewöhnen werde, ist das sehr frühe aufstehen. Da die Arbeit morgens um 6 Uhr losgeht, kämpfe ich mich jeden morgen um 5 Uhr aus den Federn. Dank Vorbereitungen am Vorabend und der Reaktivierung meiner Uni-Thermostasse aus Kanada wird der Kaffee in der U-Bahn getrunken und das Frühstück im Büro eingenommen, sodass bis zur letzten Minute morgens geschlafen werden kann. Wenn ich dann wie diese Woche abends mehrmals unterwegs bin, bin ich froh, dass der Kaffee im Büro umsonst und in rauen Mengen zur Verfügung steht.

Ich teile mein Büro mit einem gleichaltrigen, sehr netten Volontärskollegen, der mich bereits in die Feinheiten der Arbeit einweist. Insgesamt sind wir hier in Berlin zu sechst, hinzu kommen noch einige freie Mitarbeiterinnen, die ab und zu da sind. Die Atmosphäre ist durchaus nett, in gemeinsamen Raucher- (ich mach manchmal mit ohne mitzurauchen) und Mittagspausen lerne ich die Kollegen langsam kennen. Das Büro ist in Moabit gelegen, was für die Mittagessensbeschaffung eine willkommene Umstellung zur kanadischen Botschaft am Potsdamer Platz bedeutet. Musste man dort in überteuerte Touri- oder Businessrestaurants gehen, so bietet Moabit traditionellere Arbeiterimbisse. Dort trifft man dann „echte“ Arbeiter, die sich wie wir einen Teller Eintopf, Gulasch mit Rotkraut oder ähnliches zu Gemüte führen, das ganze zu sehr humanen Preisen. Ich bin begeistert, das gefällt mir!

Der Vorteil am frühen Arbeiten ist immerhin, dass ich spätestens um 15 Uhr aus dem Büro komme und dann noch richtig was vom Tag habe. Gerade jetzt ist es nicht zu verachten, wenn man noch was vom Tageslicht abbekommt. Ich habe jedoch schon festgestellt, dass man sich höllisch in Acht nehmen muss, nicht zu lange zu arbeiten und so doch was von der wohlverdienten Freizeit zu verschenken.

Samstag, 10. November 2007

The Wombats

Man könnte meinen, zwei Konzerte in einer Woche sind genug, aber ich musste gestern noch eins draufsetzen und noch ein drittes besuchen. Was will man machen, wenn die Zahl an guten Bands, die in die Stadt kommen, so groß ist. Allerdings konnte der Austragungsort des gestrigen Konzerts nicht kontrastreicher zur Columbiahalle sein, wo ich am Vortag gewesen war. Das Rosi’s, gelegen auf den brachliegenden Industriegeländen der Revaler Straße in Friedrichshain, ist in einer verfallenen Villa untergebracht. Der Club an sich ist eigentlich relativ weitläufig, ist sehr verwinkelt und bietet eine Vielzahl von unterschiedlichen Räumen. Das ganze ist etwas heruntergekommen und erinnert stark an die Villa Nachttanz in Heidelberg. Der Konzertraum ist jedoch recht klein, die Bühne nimmt etwa ein viertel des Raumes ein und die Künstler müssen sich durch das Publikum drängen, um dorthin zu gelangen. Die gestrige Veranstaltung war deshalb trotz der nicht enormen Bekanntheit der Band ausverkauft und man drängte sich vor der Bühne aneinander.

Den Part der Vorband übernahmen The Audience (Hörbeispiele) aus der Nähe von Nürnberg, für mich eine sehr hörenswerte Neuentdeckung. Musikalisch klar als New Wave Band einzuordnen erinnert die aus fünf Mitgleidern bestehende Kapelle an Gang of Four und The Robocop Kraus, es finden sich aber auch Franz-Ferdinandeske Anklänge. Der Sänger, dem man das vom Aussehen her nicht zutrauen würde, ist auf der Bühne sehr charismatisch, sodass zur guten Musik eine leidenschaftliche Darbietung hinzukommt.

Nach der üblichen, durch den immer enger werdenden Raum geprägten, Umbaupause waren The Wombats (Hörbeispiele) an der Reihe. Ich war auf die drei jungen Herren aus Liverpool bei der British Music Week im April aufmerksam geworden und hatte seither ihr allmähliches Heranwachsen zum neuesten next big thing Hype in UK verfolgt, der jetzt, sofern alles gut geht, mit der Veröffentlichung des Debütalbums diese Woche seinen vorläufigen Höhepunkt erreichen dürfte. The Wombats machen besten britischen Spaß-Indiepop mit schönen Melodien, vielen Mitsing Möglichkeiten und guten Tanzrhythmen, sodass eigentlich nichts schief gehen konnte. So war es dann auch, die Menge tobte (alle sehr textsicher – es lebe das Internet und seine Möglichkeiten für die Beschaffung von Musik!) und ich erlebte seit langem mal wieder ein Konzert inmitten von hüpfenden Pogo Kiddies. Das war dank der bescheidenen Clubgröße nicht mal so stressig wie ich das sonst häufig empfand und war ein wunderbarer Abend, der komplett durchgeschwitzt und mit total verdreckten Schuhen endete. Ich vermute mal, in diesem ganz kleinen Rahmen werden die Wombats nicht noch einmal zu erleben sein.

Freitag, 9. November 2007

Eine der besten Bands der Welt...

...ist meines Erachtens im Moment Arcade Fire. Auf jeden Fall gehört sie zu meinen absoluten Lieblingsbands. Ich bin überzeugt, das sie im Rückblick zu den bedeutendsten Bands der 00er Jahre gezählt werden wird, da sie mit ihrer Musik im Popbereich neue Dimensionen eröffnet haben. Beschreiben kann man diese übrigens nicht wirklich. Sie ist orchestral, pompös im positiven Sinne, mitreißend, emotional. Man muss es sich halt anhören.

Obwohl ich Arcade Fire erst vor einigen Monaten beim Open Air Sankt Gallen erlebt hatte, war ich sehr heiß darauf, ihrem Berliner Konzert beizuwohnen, sobald ich erfuhr, dass sie diesen Herbst hier spielen würden. So stimmte ich zu, als Thomas noch im Sommer vorschlug, uns auf gut Glück Karten zu kaufen. Das war eine sehr gute Idee, da das gestrige Konzert in der Columbiahalle schon seit Wochen ausverkauft ist. Stichwort Columbiahalle: solche großen Konzerte sind einfach stressig, man muss um einen Platz kämpfen, kann sich zwischendurch kein Bier holen. Aber die Halle ist für ihre art ganz in Ordnung, durch die Empore kommt sie einem nicht allzu groß vor.

Als Vorband firmierte gestern die Newcomerformation Wild Light aus New Hampshire, deren man anhört, dass sie wohl selbst gern Arcade Fire hören. Was sie gestern boten klang sehr vielversprechend und Dank dieser Tour wird ihr Debutalbum sicherlich eine gewisse Aufmerksamkeit in interessierten Kreisen erhalten. Man wird also bald mehr von Wild Light hören.

Trotz meiner anfänglichen Befürchtungen war das Publikum in der Halle schon beim ersten Song (Black Mirror) des Sets von Arcade Fire sofort in Fahrt. Etwas anderes ist jedoch auch nicht vorstellbar, wenn eine zehnköpfige Formation solch exzellente Musik mit einer solchen Leidenschaft und Begeisterung vorträgt. Wenn das ganze zudem noch durch eine multimediales Bühnengestaltung umrahmt wird, steht dem perfekten Konzertereignis nichts mehr im Wege. Dargeboten wurde eine sehr ausgeglichene Mischung von Songs aus beiden Alben, nach eineinhalb Stunden war das ganze leider schon vorbei, doch zwischen Euphorie und Gänsehaut wurde die ganze Gefühlsspanne in dieser Zeit abgedeckt. Insgesamt fand ich das Konyert auch besser als den Auftritt in Sankt Gallen, obwohl dort die Atmosphäre aufgrund der Späten Stunde und meinem Platz in der ersten Reihe unvergleichlich war.Das war mit Sicherheit nicht das letzte Konzert von Arcade Fire, das ich besucht habe, dafür geht es einem dabei und danach einfach zu gut. Ich war übrigens währenddessen auch kein bisschen müde, erst heute rächte sich der Schlafmangel, aber wozu gibt es Mittagsschläfe?

Sehr lohnenswert ist übrigens auch ein Blick auf YouTube, wo man sich einen Eindruck von den live Qualitäten von Arcade Fire verschaffen kann. Besonders empfehlenswert ist diese Darbeitung von „Neon Bible“ in einem Fahrstuhl (Thomas, Danke für den Tipp).

Noch eine weitere Ergänzung zum Schluss: Hier gibt es einen Live-Mitschnitt des kompletten Berliner Konzerts in sehr guter Qualität als ZIP-Datei herunterzuladen. Aber Achtung, die Datei hat 550 MB, allerdings ist die Verbindung superschnell. Gefunden im Arcade Fire Forum!

Dienstag, 6. November 2007

Gut investierte Müdigkeit

Ist es vernünftig, am Abend seines ersten Arbeitstags, wenn man am nächsten Morgen um 5 aufstehen muss, auf ein Konzert zu gehen? Wahrscheinlich nicht unbedingt, aber ich hatte meine Karte für The Rakes schon länger gekauft und konnte sie ja kaum verfallen lassen. Zudem hatte ich die Band bereits im Frühjahr verpasst, sodass ich mir den Auftritt im Postbahnhof nicht entgehen lassen wollte.

Als ich am Ort des Geschehens ankam überraschte mich die Tatsache, dass das Konzert nicht wie angenommen im großen Saal, sondern im kleineren Bereich stattfand. Ich frage mich, was den Unterschied an Attraktivität auf das Publikum zwischen einer Band wie Maxïmo Park (versteht mich nicht falsch, die finde ich auch sagenhaft), die ausreichend Leute begeistern, um die Columbiahalle zu füllen, und den Rakes ausmacht. Denn letztere werden ebenso von der Kritik gelobt, singen geistreiche Texte, spielen exzellente Riffs und produzieren Rockmusik, von der die Glieder von alleine zucken. Ihr zweites Album, Ten New Messages, war meiner Meinung nach eines der besten Veröffentlichungen des Frühjahrs. Nun ja, diejenigen, die nicht da waren, sind selbst schuld, kleinere Konzerte sind ja bekanntlich eh besser.

Müde wie ich war suchte ich mir einen Platz, um mich an der Wand anlehnen zu können, doch das wäre nicht nötig gewesen. Denn kaum wurden die ersten Takte angeschlagen, dass meine Müdigkeit verflogen war. Übrigens wurde mit einem (zumindest mit) unbekannten non-album-track begonnen, was ich recht gewagt fand, das Publikum war dennoch begeistert, erst recht, als dann die bekannten Hits folgten. Das ganze wurde sehr temporeich dargeboten, die Band ist Live exzellent. Der Sänger steht auf der Bühne Paul Smith (von Maxïmo Park) in nichts nach und bestätigt die von meinem Bruder aufgestellte Regel, dass Sänger von Bands, die selbst kein Instrument spielen, die besseren Shows bieten. Jedenfalls bin ich sehr froh, dass ich da war. Die Müdigkeit, die ich heute mit mir herumgeschleppt habe, war eine exzellente Investition.

Auf dem Heimweg bekam ich übrigens eine Kostprobe der Großstadtwildnis Berlins. Nachdem sich schon vor ein paar Tagen ein Buntspecht lautstark in meinem Innenhof bemerkbar machte, liefen gestern direkt vor meinem Fahrrad zwei Füchse Seelenruhig über die Straße. Die waren sicher auf der Jagd nach Landwehrkanalratten (habe ich auch schon gesehen).

Samstag, 3. November 2007

Die SPD auf dem Weg zurück in die Vergangenheit?

Alle Reden spätestens seit dem Hamburger SPD-Parteitag vom vergangenen Wochenende von einem Linksruck der SPD und ihrer angeblich damit verbundenen Rückbesinnung auf (überholte) alte Werte und Politikvorschläge. Meist schwingt dabei eine negative Bewertung mit. Ich bin damit nicht einverstanden und halte auch den vermeintlichen Linksruck nicht für so ausgeprägt, wie häufig getan wird. Es geht vielmehr um eine ganz normale Anpassung an politische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen und eine gewisse Rückkehr zur Normalität einer linken Volkspartei, wie sie die SPD ist und sein will.

Die SPD hat in ihrer Regierungszeit mit der Agenda 2010 ein neoliberales Reformprogramm verabschiedet, was von vielen, auch von mir, in großen Teilen begrüßt wurde. Sie wurde dazu von der angespannten wirtschaftliche Lage, Wahlniederlagen bei Landtagswahlen und sehr schlechten Erfolgsaussichten auf Bundesebene gedrängt. Trotzdem konnte sie dabei nur verlieren. Eine linke Partei kann mit Sozialreformen kaum etwas richtig machen, vor allem wenn es um soziale Einschnitte geht. Denn diejenigen, die sie gutheißen sind zum großen Teil Anhänger der bürgerlichen Parteien und werden wegen solcher Reformen sicherlich nicht zu Sozialdemokraten. Und diejenigen, die von den Reformen möglicherweise schmerzhafter betroffen sind, werden sich enttäuscht entweder der Linkspartei oder, vor allem in Westdeutschland, der Wahlenthaltung zuwenden. Das die SPD ihre Reformorientierung trotz allem durchgezogen hat, ist sehr lobenswert.

Es war allerdings nur eine Frage der Zeit, bis die SPD sich wieder auf eine linkere Politik besinnen würde, für die sie ja ohnehin stehen sollte. Eine erfolgreiche linke Volkspartei muss im wesentlichen zwei Wählergruppen auf sich vereinen, die teilweise sehr unterschiedliche Interessen haben. Dies sind einerseits „progressive“ Wähler, für die soziale Gerechtigkeit zwar eine Rolle spielt, die davon aber nicht persönlich abhängig sind. Sie sind links im Sinne von nicht konservativ, vielleicht kann man sie als sozialliberal bezeichnen. Um diese Wählerschaft konkurriert die SPD (seit die FDP in den 1980ern rein wirtschaftsliberal geworden ist) mit den Grünen. Viele dieser Wähler unterstützten die Reformpolitik und sind dem mitte-links Lager ziemlich sicher. Die zweite Gruppe sind die klassische Basis der Linken, die Arbeiter und kleinen Angestellten, die eher traditionell benachteiligten in der Gesellschaft. Es sind diejenigen, die auch eher Abhängig sind von sozialen Errungenschaften und, im Falle der Arbeiterschaft, stark von ihnen profitieren. Sie sind verständlicherweise gegen die Reformen und sind in gewisser Weise sozialstaatlich konservativ orientiert. Um diese Wähler konkurriert die SPD mit der Linkspartei.

Seit 1994 haben Mitte-Links-Parteien bei Bundestagswahlen eine Stimmenmehrheit. Bei den Wahlen von 2005 hatten SPD, Grüne und Linkspartei zusammen 51% der Stimmen! Da die CDU mit ihrem stark neoliberalen Programm damals abgestraft wurde und im weiter oben genannten progressiven Milieu nicht mehr ankam, orientiert sie sich in vielen Fragen nach links. Gleichzeitig vertritt die Linkspartei Positionen, die der linke Flügel der SPD genauso unterschreiben würde. Bis zuletzt haben sie Strategen der Sozialdemokraten das hingenommen. Doch inzwischen ist die hälfte der Legislaturperiode vorbei, es stehen nächstes Jahr wichtige Landtagswahlen an, sodass man sich langsam Sorgen macht, dass die Partei in den Umfragen unter 30% dümpelt. Da die Stimmen eher links zu holen sind, ist es nicht erstaunlich, dass eher linke Positionen vertreten werden. Allerdings werden die Reformen keineswegs grundsätzlich in Frage gestellt!

Ich finde also die Besinnung der SPD auf linkere Positionen durchaus richtig, nicht nur strategisch, sonder auch inhaltlich. Lange genug hat man die Globalisierung zur Durchsetzung von neoliberalen Politiken hochgehalten, jetzt sollte wieder, ohne es zu übertreiben, ein bisschen mehr Verteilungsgerechtigkeit herrschen. Dies ist mit Sicherheit kein Rückschritt in die Vergangenheit. Ich finde allerdings das Thema der ALG I – Laufzeit sehr schlecht gewählt, um diese Wende einzuleiten. Denn dies betrifft wieder nur eine relativ kleine Gruppe von privilegierten, die sich, auch wenn das gut begründet ist, benachteiligt fühlt. Es hätte genug andere Themen wie Kinderarmut, Working Poor, Entmachtung der Energiekonzerne oder ähnliches gegeben, die ich dringlicher finde und die insgesamt mehr für soziale Gerechtigkeit stehen. Und keine Sorge, Parteiprogrammatik ist immer deutlich idealistischer als das, was schlussendlich im Falle einer Regierungsübernahme Wirklichkeit wird. Ein großer Wandel der Regierungs-SPD ist nicht zu erwarten!