Sonntag, 30. Dezember 2007

Gute Musik aus Deutschland

Ihr wisst nicht, was tun, mit dem vielen Geld, das Ihr zu Weihnachten bekommen habt? Vielleicht wollt Ihr Euch was gutes tun und Euch mal wieder eine CD kaufen. In letzter Zeit haben es mir Veröffentlichen von Bands aus Deutschland angetan, die beweisen, dass auch die Teutonen guten Indierock machen können.

Wer meint, dass jeder heiße Scheiß immer aus Großbritannien kommen muss, der irrt sich gewaltig. Er kann durchaus auch aus der Deutschen Provinz kommen, genauer gesagt aus Dinslaken. Daher kommen die Kilians, vier blutjunge Musiker, die sich auf dem Gymnasium kennen gelernt haben sich die Veröffentlichung ihres Albums Kill the Kilians vor ein paar Monaten mit bestem Indierock erarbeitet haben. Ihrem Sound hört man an, dass sie die Strokes mögen, sie klingen als wären sie direkt aus England zu uns herübergeschwappt. Aber sie sind eine wahre Perle aus Deutschland mit einem namhaften Förderer: Thees Ullman, Bandleader von Tomte und einer der Köpfe des Hamburger Indielabels Grand Hotel Van Cleef.

The Audience kommen genauso aus der tiefen deutschen Provinz, diesmal aus dem fränkischen Hersbruck. Ich hatte sie vor ein paar Wochen als Vorband von The Wombats live im Rosi’s erlebt und war so begeistert, dass ich mir kurz darauf ihr Album Celluloid gekauft (!) habe. Bei ihrer Musik handelt es sich um besten New Wave, der streckenweise an die ebenfalls sehr empfehlenswerten Robocop Kraus erinnert, aber auch furiose Franz Ferdinand Riffs beinhaltet. Auf dem Album kommt die Energie der Darbietung auf der Bühne, die vor allem vom Charisma des Sängers lebt, zwar nicht ganz so gut rüber, ist aber dennoch sehr hörenswert.

Schließlich möchte ich noch auf etwas hinweisen, das auf keinen Fall ein Geheimtipp ist. Die Beatsteaks, jene Berliner Band, die den Ärzten den ersten Platz unter den deutschen Rockkappellen streitig macht, hat vor ein paar Wochen auf ihrer Demon’s Galore EP neben dem Titeltrack einige nette Stückchen versteckt. Darunter ist so ein Knaller wie die Kooperation mit dem Rapper Dendemann (Wer A sagt muss auch B zahlen), von der ich mich nicht satt hören kann und eine kleine Überraschung, die in Nostalgie schwelgen lässt: Eine live-Aufnahme des Beastie Boys covers „Sabotage“, ein Mitschnitt vom Auftritt beim Open Air Sankt Gallen.

Wenn ich schon dabei bin, hier meine 10 Lieblingsalben des Jahres 2007:

1. The Arcade Fire – Neon Bible

2. Maxïmo Park – Our Earthly Pleasures

3. Bloc Party – A Weekend in The City

4. The Rakes – Ten New Messages

5. The Wombats – A Guide to Love, Loss And Desperation

6. Architecture in Helsinki – Places Like This

7. Stars – Set Yourself on Fire

8. Malajube – Trompe l’oeil

9. Idlewild – Make A New World

10. The Automatic – Not Accepted Anywhere

Ich wünsche allen meinen treuen Lesern einen guten Rutsch ins neue Jahr!

Donnerstag, 27. Dezember 2007

Schön war’s, und viel zu schnell vorbei

Da ich mich heute morgen schon wieder zum Arbeiten aus dem Bett quälen musste, ist die Weihnachtszeit für mich leider schon beendet. Zeit also, zurückzublicken. Wie sich gehört, wurde Weihnachten im Kreise der Familie gefeiert, nach einigem hin- und her bekam ich auch am 24.12. frei und konnte so fünf Tage in Steinen verbringen. Dieses Jahr sah ich den Feiertagen mit etwas gemischten Gefühlen entgegen, da ein Drittel der Familie fehlen würde, weil sie sich in der Weltgeschichte herumtreibt. Anne und Rémi haben uns denn auch gefehlt, ist schon was anderes, wenn nicht alle da sind. Das ist der Preis den man bezahlen muss, wenn man sich gerade in Indien respektive Thailand aufhält.

Außer diesem gewichtigen Manko waren jedoch alle Ingredienzien für schöne Tage in der Heimat beisammen. Der Aufenthalt war zwar leider doch zu schnell vorbei, um wirklich erholsam zu sein, aber doch lang genug, um richtig abzuschalten. Besonders angenehm machten ihn zudem:

- Das Wiedersehen mit der Familie nach einer gefühlten langen Zeit, allerdings hatte ich sie in Wirklichkeit nur drei Monate nicht gesehen.

- Ebenso das Wiedersehen mit vielen alten Freunden, zu Spaziergängen, netten Gesprächen und einem feuchtfröhlichen Abend beim Schultreffen im Goldenen Löwen.

- Nachbarschaftliche Idylle und heile Welt in unserem Viertel, inklusive Quartiersadventskalender.

- Die übliche Weihnachtshektik bei uns zu Hause, die glaube ich etwas ausgeprägter ist als anderswo und seltsamerweise mit den Jahren nicht abnimmt, obwohl man meinen könnte, dass sie gerade, wenn man nur zu viert feiert und nicht wegfährt, gering sein sollte. Ist aber nicht so, das gehört aber in unserem Chaoshaushalt dazu.

- Vorzügliches Schlemmen, mit leckeren Speisen und Getränken, sodass mein Magen jetzt ausgedehnt ist und ich ständig Hunger habe und noch mehr essen muss.

- Wunderbares Wetter für einen Skivormittag in Todtnauberg und schöne Spaziergänge, beides mit Alpenaussicht.

- Fast eine weiße Weihnacht mit Schneefall am zweiten Weihnachtsfeiertag und vorher weiße Anblicke durch den Raureif.

Schade, dass es so schnell rum war, vor allem, weil die Arbeit ruft. Wenn es aber zu lange wäre, wüsste man es nicht richtig zu schätzen. Ich freue mich auf das nächste Jahr, dann wieder mit der ganzen Familie. Fotos dieser Heile-Welt-Tage gibt es hier.

Montag, 17. Dezember 2007

Geschafft!

Hach, ich hab’s hinter mir: der stressige Teil der diesjährigen Weihnachtszeit ist erledigt. Nach langem hin- und her habe ich endlich am 24. Dezember Urlaub bekommen. Damit steht einem gemütlichen Weihnachtsfest mit Familie und dem Wiedersehen der Freunde in der Arbeit nichts mehr im Wege. Auch meine erste betriebliche Weihnachtsfeier habe ich gut überstanden, inklusive von der Firma bezahlte Fahrt nach Hamburg samt Übernachtung im Hotel, leckerem Essen, viel Bier und Spaß mit meinen Kollegen. Schließlich habe ich heute meine Weihnachtseinkäufe für dieses Jahr zum Abschluss gebracht. Gut, dass ich schon letzte Woche einen Erkundungsgang gemacht hatte, denn Berlins „Kulturkaufhaus“ war heute Nachmittag ziemlich bevölkert. Außerdem bin ich (fast) ohne Kaufrausch, der mich jedes Jahr zum Jahresende packt, durch die Adventszeit gekommen, Bin ich froh, dass ich dank meiner hierfür sehr praktischen Arbeitszeiten unter der Woche vor dem großen Feierabendansturm meine Einkäufe erledigen kann. Gar nicht vorstellen will ich mir den Horror des Wochenendweihnachtseinkauf, am besten an einem der vier verkaufsoffenen Adventssonntage. Das meide ich wie die Pest! Mein Weihnachtsbummel in der recht geschmackvoll beleuchteten Friedrichstraße hat mir seit langem mal wieder eine „Promi“-Sichtung beschert, den Fußballprofi vom VFL Wolfsburg Pablo Thiam samt familiärem Anhang. Was man nicht alles bemerkt, wenn man aufmerksam durch die Straßen geht...

Nun kann ich mich auf die angenehmen Dinge konzentrieren: Glühweintrinken mit den Kollegen nach der Arbeit und Vorfreude auf eines der unstressigsten Weihnachten seit Jahren mit gutem Essen und Trinken in heimatlichen Gefilden.

Es gibt übrigens Hoffnung für das nächste Jahr: Die Kaufkraft soll 2008 überdurchschnittlich steigen, jedenfalls stärker als die Inflation. Interessant auch: Jeder deutsche bürger hat 2007 im Schnitt 18.734 Euro jährlich zur Verfügung, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Die geographische Verteilung ist wie zu erwarten: Es gibt ein starkes Süd-Nord, sowie ein West-Ost Gefälle. Nachzulesen bei Spiegel Online.

Sonntag, 16. Dezember 2007

Das letzte Konzert '07

Nachdem unser geplanter konzertischer Jahresabschluss im White Trash Fast Food ein Reinfall war, musste dringend Ersatz gefunden werden. Das exzellente Konzertjahr 2007 musste ja einen versöhnlichen Abschluss finden. Glücklicherweise konnten wir noch ein schönes Schmankerl auftreiben: Am Dienstag fand im Kesselhaus der Kulturbrauerei das Polarzoo Festival statt. Hier traten je eine Band aus jedem der fünf skandinavischen Länder auf, dazwischen liefen Videoclips und Kurzfilme. Eine sehr viel versprechende Veranstaltung also.

Die erste Gruppierung, Desert Planet aus dem finnischen Lappland, habe ich leider verpasst, da ich vor dem Konzert noch auf dem Weihnachtsempfang meiner alten Kollegen von der kanadischen Botschaft war. Aber ich glaube, dass mir der Game-Boy-Elektro-Sound der Band auch nicht so gefallen hätte. Dafür kamen wir gerade rechtzeitig für eine musikalische Neuentdeckung, Ida Maria aus Norwegen. Die nach ihrer Sängerin benannten Band spielte auf der Bühne einen Indie-Rocker nach dem anderen und begeisterte mit ihrer von Punk Attitüden beeinflussten Bühnenperformance das recht spärliche und eigentlich eher lahme Publikum. Auf der (norwegischsprachigen) Website der Band gibt es ein paar Songs zum kostenlosen Download. Es folgt aber sicher in den nächsten Monaten ein Album.

Die schwedische Band Last Days of April ist auch noch eine (vom alter her) recht junge Band, die aber schon lange Bestand hat und sich durch zahlreiche Auftritte in Deutschland, u.a. bei den großen Festivals und im Vorprogramm der Sportfreunde Stiller, einen Namen gemacht hat. Die Band um Sänger Karl Larsson spielt nette und sehr schöne Indie-Rock und Pop Lieder, die ich ganz gerne höre. Auf der Bühne fehlt allerdings die letzte Konsequenz. Das das Publikum wie gesagt ziemlich lahm war, sprang folglich in der Kulturbrauerei der Funke nicht wirklich herüber. So hatte man zwar das vergnügen, guter Musik zu lauschen, wirklich spannend war das ganze aber nicht.

Höhepunkt des Abends und für viele der wahre Grund für den Konzertbesuch waren zweifelsohne die Dänen von Kashmir. Ihr etwas düsterer, tragender, eher ruhiger Rock kann einen nicht kalt lassen. Die Musik hat was von Interpol, aber irgendwie erinnern manche Riffs auch an die Dire Straits. Jedenfalls kann man richtig schön in ihr eintauchen. Endlich wachte nun auch das Publikum auf! Auch wenn der Auftritt aufgrund des sehr engen Zeitplans ziemlich schnell vorbei war, machten Kashmir den Abend mehr als lohnenswert. Alle konzerttauglichen (also die flotteren) Songs wurden gespielt, sodass man zufrieden nach Hause gehen konnte. Ja, zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich die letzte Band, Wulfgang aus Island, nicht abgewartet habe und mich auf den Heimweg machte. Es war allerdings schon fast 12 und ich wusste, dass mein Wecker am nächsten Morgen um 5 Uhr klingeln würde. Man hat es schon schwer als Arbeitnehmer...

Zum Abschluss noch ein kleines Quiz aus dem Alltag im Neuköllner Multi-Kulti-Kiez. Was bezeichnet Eurer Meinung nach ein „Antrikot“ bei meinem türkischen Metzger? Ich freue mich jedenfalls schon darauf, es mir heute Abend in di Pfanne zu hauen.

Montag, 10. Dezember 2007

Auch Busfahren kann sich lohnen...

... allerdings muss man ein wenig Zeit mitbringen. Ich habe mich heute spontan entschieden, da ich ohnehin am Bahnhof Zoo was zu erledigen hatte und dort aus der U-Bahn aussteigen musste, von dort mit dem Bus weiter nach Neukölln zu fahren. Nach einem kleinen Schlenker über den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche (nicht schlecht, aber zu sehr Fressmarkt) und ins Foyer des KaDeWe, dessen Weihnachtsdeko mich interessierte (kitsch pur) stieg ich also in den M29. Jeder Tourist kennt den 100er (bzw. 200er) Bus als Sightseeing Tipp, doch auch der M29 ist sehr lohnenswert. Wichtig ist natürlich, sich im oberen Stock ganz nach vorne zu setzen, so hat man eine perfekte Panoramafahrt vom Wittenbergplatz über die Urania, ein Stückchen am Landwehrkanal entlang, westlich am Sonycenter vorbei, weiter zum Anhalter Bahnhof, zum Checkpoint Charly, dann über Moritzplatz, Oranienplatz, Heinrichplatz und Görlitzer Bahnhof durch Kreuzberg, um schließlich über Pannierstraße und Sonnenallee zum Hermannplatz zu gelangen. Da bin ich auch schon fast zu Hause. Gut, mit der U-Bahn ist man doppelt so schnell, aber da sieht man nichts. Es hat schon was durch die zunhemende nchmittägliche Dämmerung auf einem Panoramaplatz durch Berlins Straßen zu kurven. Man muss sich halt die Zeit nehmen.

Sonntag, 9. Dezember 2007

Frustration und Weihnachtsstimmung

Für den Freitag Abend hatte Thomas uns ein tolles kleines Konzert ausgeguckt, die Motor FM Weihnachtssessions im White Trash Fast Food, u.a. mit The Fashion und Soko. Letztere hatte mit dem Song „I Kill Her“ einen kleinen Überraschungshit, der in manchen Radiosendern hier rauf und runter lief, und das obwohl die Dame nicht mal einen Plattenvertrag hat. Die deutschen liebten halt schon immer Frauen mit französischem Akzent, die ist aber auch süß, die kleine, wie man sich hier überzeugen kann. Nur hatten wir leider den Ansturm auf die Veranstaltung unter- und die Größe des Clubs überschätzt. So kam es, dass wir trotz pünktlichem Erscheinen zum Einlass um 19 (!) Uhr und 45 Minuten anstehen, während derer die Schlange kaum voranging, nicht rein kamen. Das war sehr ärgerlich und frustrierend. So mussten wir uns halt mit Biertrinken gehen begnügen, in einer Ecke Berlins, in der man sich nicht soo gut auskennt irgendwie auch blöd.

Derweil warte ich darauf, endlich das O.K. meiner Hamburger Chefin zu bekommen, um mir am 24.12 frei nehmen zu können (mehr gibt’s eh nicht) und versuche mich langsam in Weihnachtsstimmung zu versetzen. Diese kommt dieses Jahr nämlich nicht wirklich auf. Deshalb habe ich ein wenig für Weihnachtsdekoration in meiner Wohnung gesorgt und mit einfachen Mitteln ein weihnachtliches Fenster dekoriert. Deutlich besser funktionierte jedoch in diesem Unterfangen mein gestriger Besuch auf dem Alt-Rixdorfer Weihnachtsmarkt auf meinem Neuköllner Lieblingsplatz, dem Richardplatz. Die Einzigartigkeit an diesem Weihnachtsmarkt besteht darin, dass er sich vom Kommerz sämtlicher anderer Berliner Märkte (es gibt laut meiner Zählung auf weihnachtsmarkt-deutschland.de deren 36) abhebt. Erstens dauert er nur ein Wochenende und zweitens ist er fast frei von gewerblichen Ständen, sondern wird von lokalen Vereinen und Wohltätigkeitsorganisationen betrieben. Das gibt dem ganzen eine nette und familiäre Stimmung, die mir sehr gut gefallen hat. Ich habe deshalb den Versuch unternommen, das ganze fotographisch festzuhalten, aufgrund der Dunkelheit sind die Bilder aber nicht berauschend.

Donnerstag, 6. Dezember 2007

Aufstocker? Ich denke schon…

Als ich Ende letzter Woche aus Hamburg zurückkehrte, erwarteten mich in meinem Briefkasten vier Briefe mit Absender Jobcenter Neukölln. Briefe vom Jobcenter bedeuten nicht immer schlechte Nachrichten, im Gegenteil. In diesem Fall sorgten sie für eine im Ergebnis positive Überraschung.

Wie ich bereits erwähnt habe, ist mein Verdienst bei meiner neuen Arbeitsstelle ziemlich dürftig. Allerdings habe ich Netto dennoch deutlich mehr zur Verfügung als vorher. Trotzdem wurde mir folgendes vorgerechnet:

· Die Sicherung des Lebensunterhalts beträgt im Monat 347 Euro

· Hinzu kommen meine Warmmiete inklusive Heizkosten, exklusive Stromkosten

· Das ergibt einen monatlichen Bedarf von gut 600 Euro. Soviel erhielt ich bisher ungefähr monatlich ausbezahlt.

· Als Empfänger von Sozialleistungen kann man die ersten 150 Euro ohne Abzüge hinzuverdienen, danach werden graduell Leistungen abgezogen.

· Jedenfalls ergab die Rechnung (die ich nicht ganz verstanden habe), dass ich weiterhin gut hundert Euro monatlich Wohngeld von der Sozialkasse überwiesen bekomme.

Das sehe ich ein wenig mit gemischten Gefühlen. In rein materieller Hinsicht nimmt man das Geld natürlich sehr gern. Hundert Euro, das macht 4 Konzertabende... Zumal hinzu kommt, dass ich weiterhin das Sozialticket für die öffentlichen Verkehrmittel und diverse andere Vergünstigungen verwenden kann. Andererseits habe ich moralische Bedenken dabei, denn ich denke, dass ich auch so über die Runden käme und unser Sozialsystem ausnutze. Dabei habe ich nichts beantragt, die Leistung wurde mir ohne mein weiteres Zutun angetragen. Mein eigentliches Problem ist auch, dass ich es skandalös finde, wenn Arbeitgeber es sich erlauben können, ihre Angestellten, egal ob Volontäre oder nicht, so schlecht zu entlohnen, dass sie weiterhin als bedürftig betrachtet werden. Hat man fünf Jahre studiert, um Hartz-IV-Aufstocker zu werden?

Eins ist mir durch all diese Dinge klar geworden: Auch wenn ich nicht dauerhaft in dieser Situation sein möchte und ich vielleicht trotz allem zu den Privilegierten gehöre, da ich im Hintergrund wohl situierte Eltern habe und ich zudem die Perspektive habe, dass es in Zukunft finanziell aufwärts geht. Auch wenn es vielleicht problematisch ist, dass man von der Administration des Jobcenters nicht immer unbedingt als Person wahrgenommen wird und vieles über seine private Situation offen legen muss (ich muss ab jetzt meine monatliche Gehaltsabrechnung einreichen). Im Ergebnis habe ich durch meine bisherigen Erfahrungen festgestellt, dass das deutsche Sozialsystem den Zweck erfüllt, für den es geschaffen wurde: zu vermeiden, dass einen die Wechselfälle des Lebens existentiell aus der Bahn werfen. Man muss zwar Prioritäten setzen und gut Haushalten, aber man kommt zurecht. Problematisch wird es dann, wenn eine prekäre Situation sich dauerhaft einstellt.

Zum Schluss noch was ganz anderes für alle, die sich für den Wahlkampf der kommenden amerikanischen Präsidentschaftswahl interessieren, da am 3. Januar die Vorwahlen in Iowa beginnen. Hier gibt es eine sehr gute Beschreibung dessen, wie dieser caucus abläuft und warum alle darüber berichten. Aber keine Sorge, da ich das ganze sehr genau verfolge, werde sicher in den nächsten Monaten mal drüber schreiben...

Dienstag, 4. Dezember 2007

Konzerte in Hamburg – Nr. 2, Vic Chesnutt

Nun ist das Konzert zwar schon einige Tage her, doch ich will Euch den Bericht dazu nicht vorenthalten. Denn es hat einen anhaltenden Eindruck hinterlassen. Das Konzert der Super Furry Animal war gerade mal zwei Abende her, da begab ich mich wieder ins Übel & Gefährlich. Auch an diesem Donnerstag Abend war es nicht sonderlich gefüllt, doch dieses Mal überraschte mich dieser Umstand nicht. Denn ich ging nicht davon aus, dass die Musiker, die auf der Bühne stehen würden, große Publikumsmagneten sein würden, was nicht gegen die Qualität der Musik sprechen soll, ganz im Gegenteil. Ohne den guten Tipp eines Freundes wäre mir das Konzert auch durch die Lappen gegangen.

Vic Chesnutt ist ein Singer Songwriter aus den amerikanischen Südstaaten, der musikalisch im Bereich des Folk angesiedelt ist. Er ist seit einem schweren Autounfall vor einigen Jahren teilweise gelähmt und sitzt deshalb im Rollstuhl. Vic Chesnutt besitzt ein hohes Ansehen unter Musikerkollegen, sodass er immer sehr gute Leute um sich zu versammeln vermag, wenn er ein neues Album aufnimmt. Sein aktuelles Werk, North Star Deserter, nahm er mit Mitgliedern der Washingtoner Band Fugazi und einigen etablierten Heroen von Montreals Indieszene, vornehmlich Mitglieder von Thee Silver Mount Zion Orchestra (Voller Name: Thee Silver Mount Zion Memorial Orchestra and Tralala Band, Almuth erinnert sich noch an unseren unvergesslichen Konzertbesuch im Clinton's in Toronto). So trifft das Beste aus den Südstaaten und Quebec zusammen und vereint seine musikalischen Kräfte.

Diese Musiker bilden denn auch seine Begleitband für die laufende Tour. Heraus kommt tief- melancholische Musik, die einen live total packt. Die Platte ist zwar auch ein Ohrenschmaus (der sich beim ersten Hören noch nicht unbedingt erschließt), erst live entwickelt sich jedoch die ganze Kraft der Musik. Das Zusammenspiel von Gitarren, Baß (ein echter Kontrabass) und Streichern treibt die Musik in solche Sphären, dass man von ihr durchlaufen wird. Schließlich ist natürlich auch Vic Chesnutt selbst ein beeindruckender Sänger. Wie ein so zerbrechlich wirkender Mensch eine solche Gesangsgewalt entwickeln kann ist kaum zu glauben. Und die Texte zwischen Traurigkeit, Melancholie, Zynismus und Ironie setzen auf das ganze ein i-Tüpfelchen. Das waren 120 Minuten Musik, die mich sehr berührt hat und die ich nicht so schnell vergessen werden!

Samstag, 1. Dezember 2007

Konzerte in Hamburg: Nr. 1 – Super Furry Animals

Wenn man sich für ein paar Tage in einer fremden Stadt aufhält und dort keine Bekannten hat, mit denen man seine Abende verbringen könnte, stellt sich immer die Frage, wie man nach getanem Tagewerk seine Zeit vertreibt. Man will ja nicht im Hotelzimmer vor der Glotze kleben. Was liegt also näher, als Konzerte anschauen zu gehen? In diesem Fall traf es sich sehr gut, das während meines Aufenthaltes zwei Bands in Hamburg spielten, die ich beide gerne sehen wollte. In Berlin spielten sie am selben Abend, sodass ich mich für eine von beiden hätte entscheiden müssen. Das Schicksal meinte es aber gut mit mir, schickte mich just in dieser Woche nach Hamburg und ließ die Bands dort an verschiedenen Tagen im Übel & Gefährlich auftreten.

Das Übel & Gefährlich verdient als interessante Location eine Erwähnung. Der Club ist in einem mehrstöckigen Bunkerbau direkt am Heiliggeistfeld untergebracht, das aussieht, wie ich mir Askaban, das Gefängnis aus Harry Potter vorstelle. Wie man so etwas bauen kann? Man kommt in den Club, der im 4. Stock liegt, nur über einen Warenaufzug herein, der von einem Aufzugführer betreut wird. Das Gibt dem ganzen einen gewissen Charme, zumal der Club, innen auch ganz nett ist, nur die Bierpreise sind im Vergleich zu Berlin doch recht gehoben.

Dass die Super Furry Animals in so einem kleinen Rahmen spielen, fand ich recht überraschend. Die Konzertveranstalter glaube ich auch, da das Konzert vom größeren Grünspan hierher verlegt wurde. Selbst das Übel & Gefährlich war bei weitem nicht voll. Ich wusste zwar, dass SFA in Deutschland nicht gerade Superstars sind, doch es gibt sie immerhin schon seit Mitte der 90er Jahre und sie haben eine Reihe sehr ordentlicher und stets beachteter Alben herausgebracht, sodass ich gedacht hätte, dass sie sich doch eine etwas größere Fanbasis erarbeitet hätten. Zumal sie in England einige Charterfolge hatten und dort Mittelgroße Hallen füllen, wovon man sich auch in Michael Winterbottoms Musik- und Sexfilm 9 Songs überzeugen kann.

Nun ja, so konnte eine recht intimen Runde einem exzellenten Konzert lauschen. Die SFA machen recht experimentierfreudigen Pop, sind sehr offen für technologische Neuerungen und Einflüsse und decken eine Bandbreite ab, die von elektronisch-sphärischen Klängen zum bodenständigen Rock reichen. Auch unkonventionelle Klanerzeugungsmittel wie Chips essen vor dem Mikrophon (klingt gut) werden genutzt. Außerdem haben sie einen ziemlichen Knall, treten in Kleidung mit aufgestickten Band-Artwork in Neonfarben auf und der Sänger Gruff Rhys zieht gerne mal eine Motorradhelm-Monstermaske auf und läuft damit durchs Publikum. Gespielt wurden erstaunlich wenige Lieder vom neuen Album und viele ältere Songs. Das fand ich etwas schade, da ich vor allem des 2005er Album Love Kraft sehr mag, das etwas vernachlässigt wurde. Auch von den Stücken in walisischer Sprache gab’s leider nur eine Kostprobe in Form des Hits Calimero, das hatte ich aber erwartet.

Fazit: ein sehr sehenswertes Konzert. Auch mit 1h45 von der Dauer her überdurchschnittlich. Nach einer Stunde kam die Ansage, SFA bauten ihre Konzerte wie Fußballspiele auf und machten eine Halbzeitpause (von knapp 5 Minuten). Dafür wurde auf die Scheinheiligkeit von Zugaben verzichtet. Wenn zudem auf Vorbands verzichtet wird und dafür die Hauptband angemessen lange spielt, kann das von mir aus immer so sein.