Zusammen mit sieben Mitbewerbern erschien ich also gestern pünktlich um 8 Uhr in der sehr malerisch gelegenen Akademie Auswärtiger Dienst in Berlin Tegel – was frühes Aufstehen bedeutete, da ich einen Anfahrtsweg von ca. 45 Minuten hatte. Anders als im letzten Jahr fand das Verfahren nicht in der sehr hübschen Villa Borsig statt, sondern im Haus Europa, dem Hörsaalgebäude der Akademie, das zwar moderner, aber deutlich weniger ansehnlich ist. Ansonsten war alles ähnlich wie ich es bereits erlebt hatte, ich erkannte auch mehrere Mitglieder der Auswahlkommission wieder – und sie mich teilweise auch.
Das mündliche Verfahren besteht aus fünf teilen. Es beginnt morgens mit einem Gespräch vor der Auswahlkommission, inklusive der Vertreter des Personalrats und der Gleichstellungsbeauftragten sowie den zwei Psychologen von der DGP sind dies 10 Personen, was ziemlich einschüchternd wirkt. Das zwanzig Minuten dauernde Gespräch, in dem sowohl typische Vorstellungsgesprächsfragen gestellt werden als auch einige hypothetische Arbeitssituationen („Sie sind an der Botschaft in Japan beschäftigt und Besuchen einen deutschen Häftling im Gefängnis. Dieser beklagt sich, dass er immer friert, weil er keine langen Unterhosen tragen darf. Der Anstaltsdirektor sagt ihnen, die anderen Häftlinge dürften dies auch nicht und es gebe keine Extrawürste für ausländische Häftlinge. Was tun Sie?“) ist sehr schnell vorbei. Dem schließt sich ein Einzelgespräch mit einem Psychologen an, in dem manche Punkte aus dem ersten Gespräch aufgegriffen werden und weitere hypothetische Situationen abgefragt werden.
Nach der Mittagspause kommen dann die Aufgaben, die eine größere Herausforderung darstellen. Als erstes muss jeder Bewerber vor der Kommission einen fünfminütigen Vortrag über ein Thema halten, das er zwischen dreien aussuchen kann. Ich wählte aus drei Themen das folgende aus: Rechtsextremismus unter Jugendlichen, no-go areas, Stärke der Linken. Gibt es in Ostdeutschland eine separate Gesellschaft? Nach dreißig Minuten Vorbereitungszeit hielt ich den Vortrag, ich denke ich habe mich wacker geschlagen.
Schließlich gibt es zwei Gruppenaufgaben zu bestehen, es wird jeweils in Vierergruppen diskutiert. Zunächst wird eine Konsensaufgabe gestellt. Wir sollten uns ein Projekt zur Medienkooperation im Bereich des deutsch-türkischen interkulturellen Dialogs ausdenken. Die zweite Aufgabe ist eine Konfliktsituation in der jeweils zwei gegen zwei einen Standpunkt verteidigen sollen und sich möglichst am Ende einigen sollen. Das Thema drehte sich um die Frage, wie eine Wohlfahrtsorganisation ihr zugestandene Mittel verwenden sollte: Für Integrationsprogramme für obdachlose Kinder oder für ein die Förderung des Ausbaus der Ganztagsbetreuung für Kinder aus armen Familien.
Damit war der Tag geschafft. Es war auch Zeit, denn ich war total erledigt. Genauso schlimm wie die Aufgaben an sich ist übrigens die viele und lange Warterei zwischen den Aufgaben. Das ist furchtbar anstrengend. Ich kann wie immer schwer beurteilen, wie ich mich geschlagen habe, habe jedoch den Eindruck, dass ich eine bessere Leistung gezeigt habe, als im vergangenen Jahr. Da damals nur wenig fehlte, bin ich ganz optimistisch. Jetzt gilt es jedoch, die Angelegenheit vorerst möglichst zu vergessen, da frühestens Ende November mit einem Ergebnis gerechnet werden kann. Bis dahin kann man nur gespannt sein. Bemerkenswert am gestrigen Tag war übrigens, wie auch im letzten Jahr, die sehr entspannte und nette Atmosphäre zwischen den Bewerbern. Man sieht sich nicht wirklich als Konkurrenten, sondern eher als Leidensgenossen für den Tag und gibt sich vor allem in den Gruppenaufgaben Mühe, dass alle möglichst gut abschneiden.
3 Kommentare:
Hallo, eine Freundin hat mich auf Dein Blog aufmerksam gemacht, sie sagte, Ihr kennt Euch...
Ich war am Freitag in Berlin, vielleicht sehen wir uns ja im Mai? Ich bin übrigens neugierig: warst Du jetzt zum zweiten Mal beim Mündlichen Teil? Ich dachte, das geht gar nicht...
Ja, das geht tatsaechlich... Ich habe die explitzite Erlaubnis bekommen, mich nochmal zu bewerben. Ich weiss inzwischen, dass es an meinem "psychologischen Entwicklungspotenzial" lag. Ist zwar relativ selten, ich kenne aber noch andere, die noch ein zweites Mal da waren.
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