Donnerstag, 26. Juli 2007

Die verdorbene Tour de France

Ach, waren das noch Zeiten, als man ganz naiv den Toursiegern Greg LeMond, Miguel Indurain oder dem jungen Jan Ullrich zujubeln konnte. Da war die Tour de France noch ein wahrer Genuss. Auch die letzten Jahre hatte ich mir das Tourvergnügen nicht durch diverse Affären und die übermenschliche Dominanz des Lance Armstrong verderben lassen. Die Tour de France als Ereignis an sich, vor allem am Straßenrand, war einfach zu schön, zu wichtig. Immerhin habe ich die Liebe zur Tour de France im Blut, das gehört zur Familientradition. Das erste Jahr, an das ich mich erinnere war 1987, der Sieg von Stephen Roche, die eintägige Führung von Jeff Bernard und sein dramatischer Verlust des Gelben Trikots als Stephen Roche und Pedro Delgado angriffen, während er einen Platten hatte. Das ganze verfolgt vor dem Fernseher meiner Großeltern in Frankreich.

Dieses Jahr ist leider alles anders. Meine Leidensfähigkeit in Sachen Doping ist gro­ß. Obwohl spätestens seit 1998 ein Generalverdacht auf dem Radsport liegt, war ich dennoch Jahr für Jahr mit Herzblut dabei. Auch letztes Jahr stand ich zum Prolog in Straßburg am Straßenrand. In diesem Jahr freute ich mich, dass ich vermutlich zum letzten Mal vor meiner Rente Zeit habe, um noch mal täglich live vor dem Fernseher zu sitzen. Dabei nervte mich in der ersten Tourhälfte die Berichterstattung von ARD und ZDF, da diese jede Leistung allzu sehr in Frage stellten. Doch spätestens seit Michael Rasmussen im Einzelzeitfahren von Albi eine bisher nicht gekannte Stärke zeigte – in den Bergen war er ja schon länger unheimlich gut – war die Tour kein Spaß mehr. Zudem jede Leistung jetzt wirklich entweder dubios erscheint oder als solche enthüllt wird. So fragt man sich, was Alexander Vinokurow sich gedacht hat, als er seinem Frust durch Blutdoping ein Ende setzen wollte, in Kauf nehmend, erwischt zu werden. Was ist mit Soller, dem Träger des Bergtrikots, der vor dieser Tour noch nie bei einem Rennen aufgefallen war und erstaunlich gut mit den Besten mithält? Was ist mit Alberto Contador, der mit Fuentes in Verbindung steht und als einziger mit Rasmussen mithalten kann? Er hätte das Zeug zum Sympathieträger, doch allein sein Mitgliedschaft bei Discovery Channel macht ihn verdächtig. Das gleiche ließ sich übrigens über Andreas Klöden sagen, der ohne seine dummen Äußerungen zum neuen (sauberen?) Radsportstar hätte werden können. So aber bleibt unter den Topfahrern eigentlich momentan nur Cadel Evans, der relativ unverdächtig scheint. Vielleicht ist er ein kleiner Hoffnungsschimmer?


Diese Tour ist allerdings ohnehin verdorben. Der Ausschluss von Rasmussen (auch wenn ich sehr froh darüber bin) ändert daran nichts. Unter diesen Begleitumständen, den täglich neuen Meldungen über Dopingfälle und Rückzüge von Teams ist das Endergebnis in Paris ohnehin irrelevant. Dennoch bin ich gegen einen Abbruch der Tour, das wäre eine Kapitulation derjenigen, die sich für Erneuerung einsetzen – dazu gehört auch die Tourorganisation – vor denen, die gerne so weitermachen würden wie bisher. Unter diesen Umständen allerdings nicht nur diese Tour de France, sondern auch die zukünftigen in Gefahr zur Farce zu werden und ihre Existenzgrundlage zu verlieren. Noch halten die wahren Fans zum Ereignis Tour de France, aber wie lange noch? Nicolas Sarkozy hat es treffend formuliert: „Ein Juli ohne Tour de France ist kein richtiger Juli“. Es ist selten genug, dass ich seine Meinung teile...

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