Montag, 27. Juni 2011

Die heilige Stadt – Varanasi

Es ist fast undenkbar, eine Indienreise zu unternehmen, ohne Varanasi zu besuchen, eine der ältesten noch bewohnten Städte der Welt und vor allem – für die Hindus – die heiligste Stadt des Subkontinents. So nutze ich die Woche Zeit, die ich zwischen Andreas Abreise und der Ankunft meiner zweiten Besucherin, meine alte Freundin Anette, für einen Abstecher in Richtung Südosten. Neben Varanasi will ich auf dieser Schleife auch Khajuraho und Gwalior einen Besuch abstatten.
Nach Varanasi fährt man nicht unbedingt, um bestimmte Sehenswürdigkeiten zu sehen, sondern eher um die dort herrschende Stimmung einzufangen. Dies geht am besten, in dem man viel Zeit an den Ghats, also den Stufen am Gangesufer, sowie im Gassenlabyrinth der Altstadt verbringt. Außerdem nehme ich mir ein Hotel mit gutem Ganges- und Ghatausblick.
Ich verbringe meine drei Tage hier also damit, am Ganges herumzuspazieren oder einfach dazusitzen und das Geschehen zu beobachten. Zwischendurch spaziere ich auch mal durch die engen Gässchen. Hier kann man nicht anders als sich zu verlaufen, aber irgendwann stößt man immer mal wieder auf die Ghats. Es gilt morgens früh aufzustehen, denn ab Sonnenaufgang werden die Ufer des Ganges lebendig. Die Gläubigen kommen zum morgendlichen heiligen Bad. Allerdings ist das nicht das einzige, was man hier beobachten kann, an den Ghats findet ein unaufhörliches Kommen- und Gehen statt. Es wird Wäsche gewaschen, es werden Haare geschnitten und Bärte rasiert, Cricket gespielt oder auch Wasserbüffel gebadet. Man wird auch recht viel angesprochen. Wie überall werden zahlreiche Dienstleistungen angeboten, eine Bootsfahrt, eine Massage und vieles mehr. Noch nirgends in Indien wurden mir so oft Drogen angeboten. Zudem gibt es hier einige Gruppen junger Männer vom Land, die extra herkommen, weil sie einfach mit „Foreigners“ englisch sprechen wollen. Wenn man sich darauf einlässt, ergeben sich daraus durchaus interessante Gespräche. Wenig überraschend stellt sich dabei heraus, dass der Traum eines jeden indischen Studenten ein guter Job im westlichen Ausland ist.
Während meines Aufenthaltes hier werde ich auch Zeuge der ersten Auswirkungen des beginnenden Monsuns. In den drei Tagen, in denen ich hier bin, steigt der Pegel des Ganges beträchtlich, ich würde schätzen, dass es durchaus zwei Meter sind. Am dritten Tag kann man nicht mehr überall an den Ghats entlanggehen. Auch der Strand am anderen Gangesufer, zudem ich noch am Vorabend mit dem Boot hinübergefahren bin steht jetzt unter Wasser. In Verbindung mit der beträchtlichen Wasserverschmutzung (der Gedanke, darin zu Baden ist wirklich abstoßend) scheint das steigende Wasser zudem für eine Sauerstoffarmut im Fluss zu sorgen. Jedenfalls treiben tausende von Fischen luftschnappend und apathisch in die Nähe des Ufers. Das bedeutet, dass an diesem Tag das heilige Bad eher nebensächlich zu sein scheint. Vielmehr sind die Menschen damit beschäftigt, mit Netzen, Tüchern oder mit bloßen Händen Fische aus dem Wasser zu pflücken (anders kann man dies kaum bezeichnen). Wer einen besonders großen Wels oder Aal ergattert sorgt für großen Jubel.
Bekanntlich finden an des Ghats auch Bestattungen statt. Genauer gesagt gibt es zwei Bestattungsghats, wo unaufhörlich auf Scheiterhaufen die Toten verbrannt werden. Hier vorbeizugehen ist für mich etwas befremdlich. Man riecht zwischendurch den Geruch von verbranntem Fleisch in der Luft, sieht die in bunte Tücher eingewickelten Leichen und die trauernden angehörigen. Am Ufer direkt unterhalb der Scheiterhaufen durchsuchen Leute die Asche nach Schmuck und Edelmetall, das sich verkaufen lässt. Und direkt am Ghat nebenan wird fleißig das heilige Bad im Ganges genommen.
Sarnath
Ich nutze meinen Aufenthalt in Varanasi auch für einen Ausflug ins benachbarte Sarnath. Dies ist ein wichtiger Ort für den Buddhismus. Buddha soll hier seine erste Predigt nach der Erleuchtung gehalten haben. Entsprechend gibt es hier einige Ruinen von Klöstern sowie Stupas und einen modernen Tempel. Im Archeologischen Museum befindet sich zudem der Ashoka Löwe, Indiens Wappentier. Diese Sandsteinskulptur krönte hier die Spitze einer Säule, die im 3. Jahrhundert vor Christus vom großen Maurya König Ashoka aufgestellt wurde, der allgemein als der erste große indische Herrscher angesehen wird. 

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