Montag, 16. Mai 2011

Muslimisch geprägte Städte auf dem Deccan – Bijapur, Hyderabad, Aurangabad

Nach den vielen dravidischen Hindutempeln ist mal ein Stil- und Epochenwechsel angebracht. Da trifft es sich gut, dass meine Reiseroute mich in Städte führt, deren prägende Zeit ein paar Jahrhunderte später liegt, eher im 16. bis 18. Jahrhundert und eine andere Kultur den Ton angibt: der indische Islam.
Imbrahim Rouza Mausoleum
Bijapur liegt im Norden Karnatakas, etwa 150 Kilometer von Badami entfernt. In ihrer Blütezeit vom 15. bis 17. Jahrhundert war Bijapur die Hauptstadt des gleichnamigen Deccan-Sultanats. Deren Herrscherdynastie, die Adil Shah, erbauten hier zahlreiche sakrale und weltliche Gebäude im Indoislamischen Stil, die heute noch das Stadtbild prägen. Zwei Mausoleen stechen dabei besonders hervor. Golgumbaz, ein riesiger Kuppelbau, beeindruckt neben seiner Größe vor allem durch seine Phänomenale Akkustik. In der sogenannten Flüstergalerie direkt unterhalb der Kuppel kann man angeblich jeden noch so leisen Ton von weitem hören. Ich kann das schwer testen, da ich alleine unterwegs bin. Auch zu zweit wäre das jedoch schwierig, denn die Besucher des Denkmals proben eine andere Eigenschaft der tollen Akustik: das Echo. Ich klatsche in die Hände und zähle, dass die Wände den Ton 12 Mal wiedergeben. Das Ibrahim Rouza Mausoleum wiederum glänzt durch seine Ästhetik. Es soll eine Inspiration für das Taj Mahal gewesen sein.
Bijapur ist auch heute noch sehr muslimisch geprägt. An jeder Ecke steht eine kleine Moschee. Auch die Bevölkerung scheint hier zu einem großen Anteil der islamischen Religionsgemeinschaft anzugehören. Man sieht nicht nur viele verschleierte Frauen, auch zahlreiche Männer und Jungen tragen traditionelle indisch-muslimische Kleidung. Ansonsten habe ich Bijapur jedoch nicht gerade als angenehme Stadt empfunden. Diese ist besonders staubig und zugemüllt, selbst die weniger glanzvollen Monumente sind verschmutzt durch Plastikmüll. Um die Zitadelle in der Mitte der Stadt ist zudem ein kleiner Slum entstanden, deren Bewohner hinter den Mauern des Forts ihre Notdurft verrichten. Da Bijapur abseits der üblichen Touristenrouten liegt, ist man hier als „Foreigner“ eine Attraktion, nicht nur für die Kinder. Nach dem hundertsten Mal (das ist nicht übertrieben) hat man auf folgendes Gespräch definitiv keine Lust mehr: „Hello, what is your name?“ - „Pierre“ - „Which country?“ - „Germany“. Und in der Langversion noch gerne „Photo please!“ Fotos hier.
Golconda Fort
Recht spontan entscheide ich, anschließend Hyderabad anzusteuern. Auch diese Stadt ist sehr muslimisch geprägt, man sieht neben Schildern auf Telugu und Englisch auch viele in arabischer Schrift, welche für die Urdu-Sprache der indischen Moslems verwendet wird. Die Hauptstadt Andhra Pradeshs geht auf die Dynastie der Qutub Shahi zurück, die bis zu deren Eroberung durch den Mogulkaiser Aurangzeb (1687) über das Sultanat Golconda herrschten. Nach dem Einflussverlust der Mogulen wurde deren ehemaliger Statthalter zum Herrscher über das Reich von Hyderabad. Dessen Nachfolger regierten hier als Nizzam von Hyderabad bis zur indischen Unabhängigkeit und sammelten bis dahin ein legendäres Vermögen an. Gerne hätte der damalige muslimische Nizzam sein mehrheitlich von Hindus bewohnte Herrschaftsgebiet Pakistan angeschlossen, doch die Zentralregierung in Delhi war anderer Meinung und setzte diese mit Hilfe der Armee durch.
Hyderabad ist heute eine Millionenmetropole, die mich fast ein bisschen überfordert hat. Die Stadt war zumindest gefühlt der bisher heißeste Ort, den ich hier in Indien besucht habe, ich entnehme der Zeitung, dass die Höchsttemperatur 42° C betrug. Zudem habe ich mich trotz des Erwerbs eines Stadtplans ein paar Mal verlaufen. Auch so manche Straßenüberquerung gestaltete sich trotz des Vorhandenseins von Ampeln und Zebrastreifen als Abenteuer, aber es blieb einem nichts anderes übrig, als sich todesmutig durch den Verkehr zu schlängeln. Die Müdigkeit durch die Nachtbusfahrt machte das ganze nicht besser.
Ich besuchte in Hyderabad die wichtigsten Sehenswürdigkeiten im Ort. Dazu gehören unter anderen der Charminar, eine Art Triumphbogen mit integrierter Moschee in der Mitte der Altstadt und wahrzeichen Hyderabads. Das Viertel um den Charminar ist ein riesiger Bazaar. Es ist voll wie in der Mönckebergstraße an einem Adventssamstagnachmittag, doch dazu kommt noch der chaotische Straßenverkehr. Man muss sich richtig durch die Massen kämpfen und dabei aufdingliche Verkäufer abwimmeln. Weiterhin besuche ich das sehr sehenswerte riesige Fort von Golconda sowie den benachbarten Mausoleumskomplex der Qutub Shahi, den sehr hübschen Marmortempel Birla Mandir und die riesige Buddhastatue im Hassan Sagar See.
Hyderabad ist übrigens ein wichtiger Standort der indischen IT-Branche und wird daher gerne auch Cyberabad genannt. Das hat hier ein kaufkräftige Mittelschicht hervorgebracht, was man der Stadt anmerkt. Die Geschäfte im kommerziellen Zentrum, wo ich untergebracht bin, bezeugen, dass hier Menschen leben, die es sich leisten können, konsumfreudig zu sein. Dennoch: beim betreten einer Mall wird man durch die Securityangestellten abgetestet. Ich betrete erstmals auf meiner Reise einen richtigen Supermarkt und stelle fest: Kosmetikartikel kosten hier das selbe oder gar mehr als bei uns. Damit ist Shampoo, Deo oder Duschgel hier ein Luxusgut. Inder benutzen für alles Seife, die ist hier spottbillig. Fotos.
Taj Mahal? Nein, Bibi-ka-Maqbara
Nach einer weiteren Nachtbusfahrt erreiche ich Aurangabad. Der Gründer und Namensgeber der Stadt ist Aurangzeb, der spätere Mogulkaiser, der hier während der Regentschaft seines Vaters Shajahan seiner Rolle als dessen Statthalter (Subedar) für den Süden des Mogulreiches nachging. Markantestes Monument der Stadt ist denn auch Bibi-ka-Maqbara, das Mausoleum für die Ehefrau Aurangzebs. Dieses wird, je nach Blickwinkel des Betrachters, gerne auch „Taj Mahal des Deccans“ oder „Taj Mahal für Arme“ genannt. Wer die Fotos betrachtet wird das schnell nachvollziehen können. Bei Aurangabad gibt es auch sehr sehenswerte buddhistische Tempelgrotten, die jedoch wenig besucht werden, da sie von den unweit gelegenen Höhlen in Ellora und Ajanta überschattet werden. Diese waren auch der Hauptgrund für meinen Besuch in Aurangabad, ich sollte sie in den folgenden Tagen erkunden.

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