Dienstag, 24. Mai 2011

Mandu: ein Hampi auf muslimisch

Eine 15-stündige Nachtbusreise bringt mich über Indore nach Mandu. Das letzte Stück der Fahrt geschieht in einem völlig überfüllten Regionalbus. Ich stehe im Mittelgang und muss mich leicht bücken, da die Decke so niedrig ist. Außer mir tangiert dieser Umstand jedoch niemanden, ich bin mit Abstand der größte an Bord. Der Bus ist so voll, dass teilweise einige Passagiere auf dem Dach mitfahren.
In Mandu quartiere ich mich zunächst im Hotel Maharaja ein. Der Name lässt das Hotel in besserem Licht dastehen, als es der Wahrheit entspricht. Die Räume sind etwas heruntergekommen und um einen vertrockneten Garten angelegt. Dafür ist es günstig. Ich darf mir mein Zimmer aussuchen, denn ich bin der einzige Gast. Die Entscheidung ist nicht schwer: ich nehme das einzige mit funktionierender Dusche.
Mandu war lange Zeit die Hauptstadt der Herrscher von Malwa, wie diese Gegend im heutigen Madhya Pradesh einst hieß. 1304 wurde die Stadt vom Sultanat in Delhi erobert und war seither muslimisch. Der Afghane Dilawar Khan wurde 1401 Gouverneur der Region und gründete hier sein eigenes Königreich. Mandu ist daher durch afghanische Architektur geprägt. Nachdem die Marathen das Königreich im 18. Jahrhundert eroberten, wurde die Hauptstadt nach Dhar verlegt, Mandu verfiel. Heute ist es lediglich ein verschlafenes Dorf, von dem aus man das 20 Quadratkilometer große Hochplateau erkunden kann, auf dem sich die Stadt einst erstreckte. Überall sind mehr oder minder gut erhaltene Ruinen verstreut, hauptsächlich von Palästen, Moscheen und Mausoleen. Es ist ein wenig wie in Hampi, nur dass einen eben keine Hindutempel, sondern Moscheen und Mausoleen erwarten und kaum etwas los ist.
Man fühlt sich hier ein wenig in einer eigenen Welt, fern von der Betriebsamkeit der Städte und touristischen Orte, die ich bisher besucht habe. Mandu wird ohnehin nicht gerade von Touristen überrannt, doch jetzt, in der heißen Jahreszeit, ist es fast ausgestorben. Ich bin, denke ich, während meines Aufenthalts der einzige westliche Tourist im Ort. Außer ein paar wenigen indischen Touristen treffe ich beim Erkunden der Ruinen kaum jemanden.
Die Hitze macht einem natürlich ein wenig zu schaffen, ich stehe früh auf und mache während der heißesten Zeit des Tages eine Mittagspause. Den Rest der Zeit kurve ich mit dem Fahrrad durch die Gegend. Die Menschen hier sind angenehm zurückhaltend, keiner versucht penetrant etwas zu verkaufen, wie es an anderen Orten gegenüber westlichen Touristen üblich ist. Die Kinder begrüßen einen lustigerweise mit „bye-bye“ und freuen sich wie an den meisten Orten, wenn man sie knipst. Nett unterhalten kann man sich mit den Leuten auch, sofern sie englisch können, was leider wenig der Fall ist. Doch wir sind hier tief in der indischen Provinz.

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