Donnerstag, 7. April 2011

Traumlandschaften im Gebirge – Munnar

Alleine die Fahrt von Kumily nach Munnar macht die Reise lohnenswert: auf kleinen Gebirgsstraßen fährt der Bus durch Postkarten-Gebirgslandschaften und Teeplantagen. Der Bus ist verhältnismäßig bequem, sodass die viereinhalb Stunden Busfahrt schnell vorbeigehen, man kann einfach aus dem Fester schauen und die Gedanken schweifen lassen.
Munnar ist das Zentrum der südindischen Teeproduktion und des Teehandels für die Region. Die Kleinstadt liegt mitten in den Western Ghats auf etwa 1.500 Meter Höhe. Sie hat zwar selbst keine Sehenswürdigkeiten zu bieten, ihr Zentrum ist laut und geschäftig. Allerdings ist ihre Lage einmalig, eingebettet in eine einzigartige Gebirgslandschaft und daher ein muss für jeden Kerala-Reisenden.
Um die Umgebung zu erkunden schließe ich mich der Tea Valley Tour des örtlichen Tourist Office an. In recht schnellen Tempo werden auf der Tagestour mit dem Kleinbus die Aussichtspunkte und Sehenswürdigkeiten der Gegend abgefahren. Es geht zum sogenannten „Photo Point“ mit schönem Ausblick auf Teeplantagen, zu den Mattupetty und Kundala Stauseen, dem „Echo Point“, „Top Station“ an der Staatsgrenze zu Tamil Nadu mit sagenhaften Aussichten auf Teeplantagen und das umliegende Gebirge, einem Blumengarten sowie dem Eravikulam Nationalpark. Hier leben unter anderem die vom aussterben bedrohten Bergziegen namens Nilgiri Thar. Die Hälfte der Weltbevölkerung dieser Tierart lebt hier. Obwohl vom Park nur ein kleines Gebiet zugänglich ist und sich hier die Besucher drängen, bekommt man den Nilgiri Thar zu Gesicht, denn die Ziegen sind erstaunlich wenig scheu. Am Hang des höchsten Gipfels Südindiens, dem 2600 Meter hohen Anamudi („Elefantenrücken“) gelegen, würde der Park dazu einladen, näher erkundet zu werden. Außer einem kurzen Spaziergang am Zugangspunkt ist jedoch nicht mehr möglich, die Aussicht von hier ist aber phänomenal. Leider ist es etwas diesig, doch auch das hat durchaus seinen Charme. Insgesamt ist die Tour lohnenswert, zumal außer mir nur indische Touristen teilnehmen, eine schöne Gelegenheit, sich auch mal mit Leuten zu unterhalten, die keine ausländischen Indienreisenden sind.
Ich wage an meinem zweiten Tag in Munnar die Erkundung der umliegenden Teeplantagen auf eigene Faust. Das erweist sich als sehr leicht umzusetzendes unterfangen, denn auf den Wirtschaftswegen zwischen den Teefeldern lässt es sich sehr gut spazieren. Mein Spaziergang entpuppt sich dann als knapp fünfstündige Wanderung hinauf auf einen der umliegenden Gipfel. Die Aussichten unterwegs sind ein Traum, die Landschaft hier gehört zu den schönsten, die ich bisher in meinem Leben gesehen habe. Das Intensität des Grüns der Teebäume ist so wie ich es bisher nur von den Wiesen der Pyrenäen kenne, die Berggipfel sind sanfte Kuppen, im Hintergrund sieht man die Gipfel der höheren Berge. Die Anlage und der akkurate Zuschnitt der Teeplantagen gibt der Landschaft eine ästhetische Perfektion, wie man sie in Miniatur nur von japanischen Gärten kennt. Meine Fotos lassen dies erahnen, können die Landschaft jedoch nicht in ihrer ganzen Schönheit wiedergeben. Dazu tut es gut, auf eigene Faust wandern zu können und nicht an die Zwänge einer Gruppenunternehmung gebunden zu sein.
Ich erlebe in Munnar einige Premieren auf meiner Reise. Erstmals gibt es nennenswerte Regenfälle. Diese sind untypisch für die Jahreszeit, doch nach dem in ganz Südindien ungewöhnlich heißen März und der dadurch bedingten Trockenheit ist der Regen allseits willkommen. Da es sich jeweils um Gewitter am Nachmittag handelt und den Rest der Zeit die Sonne scheint, habe ich auch nichts dagegen. Durch die Höhe ist es in Munnar zudem deutlich kühler als in der Ebene. Bei Sonnenschein ist es zwar sommerlich warm, doch nach dem Regen und in der Nacht kühlt es deutlich ab. Ich brauche erstmals, seit ich in Indien bin, mein mitgebrachtes Kapuzenshirt, bin um die warme Dusche in meinem Zimmer dankbar und schlafe mit Decke, Schlafanzug und ohne Ventilator. Bisher war ich nachts um jeden Luftzug dankbar, ich schlüpfte lediglich zum Schutz vor den Mücken (die gibt es hier auch nicht) in meinen Stoffschlafsack. Kalt ist es aber nicht, eher wie in einer deutschen Frühsommernacht. Die Fleecejacke bleibt also in den Tiefen des Rucksacks vergraben.

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