Montag, 18. Juni 2007

Die politische Situation in Frankreich

Man darf sich nicht blenden lassen. Trotz des Gefühls eines relativen Siegs der Linken haben Nicolas Sarkozys UMP und deren Verbündete bei den gestrigen französischen Parlamentswahlen einen klaren Wahlsieg errungen. Mit 313 Sitzen (324 mit den Verbündeten) erhält die UMP allein eine absolute Mehrheit und kann folglich nach Gusto regieren. Dass die Mehrheit nicht so eindeutig ist, wie es teilweise vorausgesagt wurde (man sprach oft von einer 2/3-Mehrheit) ist meiner Meinung nach eher eine gute Nachricht für die Regierung, denn eine allzu große Mehrheit ist deutlich schwerer zu zähmen und hätte deutlich weniger nach der Pfeife des Präsidenten getanzt. Die die mit der UMP verbündeten Zentristen des Nouveau Centre (22 Sitze) erreicht zwar die Fraktionsstärke, sind aber ziemlich nutzlos, da sie zur Verabschiedung von Gesetzen nicht gebraucht werden. Sie bleiben in der Zukunft folglich vom Wohlwollen des Präsidenten abhängig. Sarkozy muss dennoch zwei harte Schläge verkraften: Erstens ist dies die Niederlage Alain Juppés, Nummer zwei der Regierung, in Bordeaux. Dies gibt dem Wahlsieg einen sehr bitteren Beigeschmack und besiegelt vermutlich das Ende einer politischen Karriere. Juppé tut mir fast ein wenig Leid, gleichzeitig lässt die Niederlage auf einen Sieg der Linken auch bei der Gemeindewahl in Bordeaux in einem Jahr hoffen, was von historischer Tragweite wäre. Dies folgt aber auch dem allgemeinen Trend, der den Südwesten Frankreichs immer deutlicher zu einer Hochburg der Sozialisten werden lässt. Man kann auch schwer voraussagen, wer ausreichend Format hat, um Juppé in der Regierung zu ersetzen falls das Ministerium seinen sehr weiten Zuschnitt behalt. Die zweite Niederlage für Sarkozy ist diejenige des sehr bekannten Anwalts Arno Klarsfeld (der Sohn von Serge und Beate Klarsfeld, die Nazijäger) in Paris. Dies ist bitter f:ur Sarkozy, da Klarsfeld mit seiner Nähe zum Präsidenten Wahlkampf gemacht hatte. Dabei handelt es sich bei seiner Niederlage um eine Folge der Idiotie der Pariser UMP, die einen auswärtigen Politiknovizen in einem Wahlkreis aufgestellt hat, der als für sie schwierig zu gewinnen galt, auch wenn er noch nie durch die Linke gewonnen worden war und der scheidende Abgeordnete Jean de Gaulle, der Enkel des Generals, gewesen war.


Die Linke schneidet ihrerseits deutlich besser ab, als ihr vorausgesagt wurde. Die PS und ihre verbündeten, die kleinen Parteien MRC („republikaner“ – souverainistische Linke) und PRG (Radikalsozialisten – zentristischer als die PS, ein Überbleibsel aus der dritten Republik), erreichen 206 Sitze, was gar nicht schlecht ist. Die meisten schwierigen Duelle wurde gewonnen und die Parteiprominenz, auch diejenigen, die nach dem ersten Wahlgang in Schwierigkeiten schienen (außer Vincent Peillon, ein Vertrauter Ségolène Royals) haben ihren Sitz verteidigt bzw. gewonnen. Aber es gibt dennoch keinen Grund zum Jubel, trotz des beachtlichen Sitzzuwachses. Die PS hat noch immer kein wirkliches Programm, sie profitiert vor allem von der Remobilisierung ihrer Wähler, während die Wähler der Rechten zu Hause geblieben sind, da der Wahlsieg gesichert schien. Zudem machte die Linke einen sehr geschickten Wahlkampf zwischen den Wahlgängen, indem gegen die „soziale Mehrwertsteuer“ (ein Vorschlag der Regierung, die Mehrwertsteuer zu erhöhen, um die Lohnnebenkosten zu senken) mobil gemacht wurde. Diese weniger schmerzhafte Niederlage wird vielleicht die Debatte um die Neupositionierung der PS weniger vehement machen und könnte es François Hollande erlauben, den Übergang zu seinem Nachfolger fließender zu gestalten, wenn er sich gut schlägt. Seine Trennung von Ségolène Royal (sie waren bis vor kurzem ein Paar – seit dreißig Jahren) könnte ihre innerparteiliche Rivalität normalisieren. Ich hoffe im übrigen, dass Ségolène Royale es nicht schafft, die Parteiführung zu übernehmen, oder dass sie zumindest vorher ein überzeugendes Konzept vorlegt. Denn sie wird es nicht schaffen, die PS und die Linke aus ihrer Krise zu manoeuvrieren, indem sie einfach ihre Persönlichkeit spielen lässt und sich als Anwältin der Annäherung an das Zentrum geriert. Hoffen wir, dass die Reformierer eine überzeugende Persönlichkeit als Anführer wählen werden.


Vergessen wir in all dem nicht, dass die Kommunisten der PC sich mit 15 Sitzen (18 mit Verbündeten) ehrenhaft halten, auch wenn sie damit für sich allein nicht sie Fraktionsstärke erreichen. Dies verschafft ihr eine letzte Bewährungsprobe zur Sicherung ihres Überlebens. Ich denke, dass ihre lokale Stärke die Chance ist, um sich als Herz einer neu formierten Bewegung links der PS sein kann. Auf diese Weise könnten all diejenigen aufgefangen werden, die sich von der PS im Zuge ihrer Öffnung zur Mitte abwenden werden und so die Mehrheitsfähigkeit der Linken wiederherzustellen. Die Fusion der PDS und der WASG in Deutschland kann hier durchaus als Vorbild dienen, wobei in Frankreich anders als in Deutschland keine Berührungsängste von Seiten der gemäßigten Linken gegenüber einer solchen Bewegung besteht.


Der Vollständigkeit wegen sollte noch erwähnt werden, dass die neue Zentrumspartei MoDem des Präsidentschaftskandidaten Francois Bayrou 4 Mandate erhält und sich damit sehr wacker schlägt. Sie kann damit darauf hoffen, bei zukünftigen Wahlen eine Rolle zu spielen. Die Grünen erhalten 4 Sitze, einer mehr als bisher, sind aber dennoch in einem ziemlich schlechten Zustand. Sie bräuchten Parteiführer mit etwas mehr Charisma und noch mehr Realismus.

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