Nach einer spätabendlich-nächtlichen Busfahrt im Kleinbus (auf 6 Stunden Government-Bus habe ich keine Lust) erreiche ich Kanyakumari am Cap Comirin, der Südspitze Indiens, mitten in der Nacht. Um diese späte Stunde ist es nicht sonderlich einladend. Es ist komplett ausgestorben und ich sichte einige sehr dicke Ratten. Daher nehme ich das erstbeste günstige Hotel und beschließe, diesen ersten Eindruck schnell zu verdrängen.
Ausgeschlafen und ausgefrühstückt sieht das Ganze am nächsten Morgen schon viel besser aus. Ich suche mir ein neues Hotelzimmer in bester Lage, direkt neben dem Tempel und mit Blick auf die drei Meere, die hier zusammentreffen: das Arabische Meer, der Indische Ozean und das Meer von Bengalen. Kanyakumari zeigt sich jetzt auch von seiner guten Seite: ein sehr belebter Pilger-, Touristen- und Fischerort, umweht von einer andauernden, sehr angenehmen Brise.
Kanyakumari lebt von seiner einmaligen Lage. Direkt am Kap befindet sich der Kumari Amman Tempel, welcher der Göttin Devi gewidmet ist, die hier die Dämonen besiegt haben soll und der Welt Freiheit und Sicherheit gegeben hat. Um ihr zu danken gibt es daher einen unaufhörlichen Strom an Pilgern, die den Tempel besuchen. Ich nicht, ich habe erstmal genug Tempel gesehen. Am dahinter gelegenen kleinen Strand wird eifrig gebadet, ein Bad an dieser Stelle ist für Hindus selbstverständlich besonders reinigend. Kanyakumari ist zwar ein sehr touristischer Ort, doch anders als Mamallapuram ist es bei den Indern beliebt, es gibt kaum westliche Ausländer. Das drückt sich natürlich in einer ganz anderen Stimmung aus. Die sehr zahlreichen Geschäfte (bei uns würde man das eher Buden nennen, doch größere Läden gibt es in Indien kaum) buhlen mit viel Nippes und den unvermeidbaren Stoffen (Saris!) um die Kaufkraft der Besucher. Als Ausländer gehört man nicht wirklich zur Zielgruppe und wird mehr oder weniger in Ruhe gelassen, eine angenehme Abwechslung.
Ich selbst bevorzuge es, eine ruhigere Stelle zu suchen, um das Meer zu genießen. Das ist hier sehr gut möglich, wenn man der Küste ein Stück nach Westen folgt. Hier gibt es kleine, komplett verlassene Strände. Zum wirklich Baden ist es zwar zu gefährlich, das Meer ist sehr wild hier und aus dem Wasser ragen Felsen. Doch um sich zur Abkühlung von ein paar (wohltemperierten) Wellen umspülen zu lassen ist das ideal, ebenso für einsame Ruhe am Strand. Zu sehen gibt es am Ort kleinere Sehenswürdigkeiten, so ein ganz hübsch gemachtes Gandhi-Denkmal. Hier erfahre ich vom Aufpasser, der mir in Erwartung eines kleines Obulus eine Führung gibt, welche Zerstörungen der Tsunami hier am Ort angerichtet hat. In der Region sind 8.000 Menschen umgekommen. Inzwischen ist jedoch alles wiederhergestellt. Es gibt beim Tempel aber ein kleines Tsunami-Denkmal. Weiterhin sind dem Kap zwei Eilande vorgelagert, auf denen ebenfalls Denkmäler errichtet sind: eines für den Swami Vivekananda und eine riesige Statue des tamilischen Dichters Thiruvallur.
An sich genieße ich es einfach nur hier zu sein. Ich blicke auf das Meer und mache mit bewusst, dass hier der Subkontinent endet und dass meine Reise mich ab jetzt nur noch nach Norden bringt. Soweit südlich wie hier war ich in meinem Leben bisher auch noch nicht. Ich gönne mir am sogenannten Sunset Point romantische Sonnenuntergänge über dem Meer und von meinem Hoteldach aus einen Sonnenaufgang, ebenfalls über dem Meer. Ich sehe, wie der Vollmond über der Stadt aufgeht. Und ich freue mich über mein Glück, fünf Monate lang mein Leben weitgehend frei von jeglichen Zwängen selbst bestimmen zu können. Alleine dafür hat sich die Reise gelohnt.
Leider wird die Idylle ein wenig getrübt von Magen-Darm-Beschwerden, die mich einen Tag lahmlegen. Doch ich hätte einen schlimmeren Ort erwischen können, um mich davon zu erholen. Auch ist dies eine gute Gelegenheit, um ein wenig die Cricket-WM (die gerade in Indien, Sri Lanka und Bangladesch stattfindet) im Fernsehen zu verfolgen. Jetzt wo ich die Regeln verstanden habe, finde ich das langsam richtig spannend. Da Cricket mehr oder weniger der einzige Sport ist, der die Inder interessiert, ist es auch gar nicht schlecht, wenn man da ein bisschen mitreden kann... Die Gruppenphase ist jetzt vorbei, jetzt sind die Viertelfinals.
Kanyakumari ist meine letzte Station im schönen Tamil Nadu, das ich nun in Richtung Kerala verlasse. Hat mir gut gefallen hier, ich werde den Bundesstaat wohl immer mit seinen vielen Tempeln verbinden.
4 Kommentare:
Knackige Salate = Magen-Darm-Beschwerden.
Von meinen vielgereisten Kollegen der Rat für Indien: "No Peel, No Cook = No Eat". Dies gilt auch für Eiswürfel im Hotel und andere verstecktes mit nicht abgekochtem Wasser in Berührung gekommende Speisen oder Tätigkeiten (Zähneputzen).
Das klingt trotz MD herrlich...da frag ich mich ob ich Dich nicht eher am Anfang hätte besuchen sollen...
Meine lieben Eltern, ein gewisses Risiko muss man beim Essen bereit sein einzugehen. Ich werde jedenfalls nicht 5 Monate auf Salate verzichten!
Man muss einfach ein Gleichgewicht finden: Leitungswasser = nein (auch nicht beim Zähneputzen), keine Einswürfel. Dafür aber frische Säfte und Shakes (das ist einfach zu lecker) und ab und zu mal einen Salat. An touristischen Orten wird der durchaus mit extra Trinkwasser gewaschen!
Zur Not gibt's Imodium und Perentherol...
Antenne, man kann nicht alles haben... Keine Sorge, wir werden in den Bergen auch wunderbares erleben :)
Kommentar veröffentlichen