Montag, 19. April 2010

Der Charme der 60er

Im Zeitalter des Breitbandinternets habe ich mich dank der dadurch gebotenen Möglichkeiten weitgehend vom traditionelles Fernsehkonsum verabschiedet. Abgesehen vielleicht von Sportübertragungen. Das heißt jedoch nicht, dass ich auf gewisse Dinge verzichten würde, die man mit dem TV assoziiert, im Gegenteil. Statt mich nach dem Fernsehprogramm zu richten schaue ich bevorzugt dann wenn es mir am besten passt gute Fernsehserien. Da solche meist aus den USA kommen am liebsten in Originalversion. Wer dies einmal gemacht hat, will ohnehin nicht mehr auf die synchronisierten Versionen zurückgreifen.

Derzeit schaue ich die vorzügliche Serie Mad Men. Diese beschreibt die Vorkommnisse in einer angesagten New Yorker Werbeagentur der 60er Jahre, wobei dabei sehr auf Authentizität geachtet wird, mit allem was dazugehört. Man verfolgt nicht nur die Konzeption von real existierenden Werbekampagnen aus der Zeit und bekommt am Rande z.B. den Präsidentschaftswahlkampf zwischen Nixon und Kennedy mit. Viel spannender sind jedoch die alltäglicheren Dinge dieser Zeit: der große Konsum von hochprozentigem am Arbeitsplatz durch die leitenden Angestellten, die Allgegenwärtigkeit des Zigarettenkonsums, ob am Arbeitsplatz, zu Hause oder gar im Bett (auch in Gegenwart von Kleinkindern oder ganz selbstverständlich durch die schwangere Hausfrau), die klar sichtbare Rassendiskriminierung und ganz besonders das Geschlechterverhältnis vor der Emanzipation der Frauen.

So ist die Rolle der Frauen in Gesellschaft und Arbeitswelt klar definiert: Hausfrau und Mutter zu Hause, Sekretärin oder Hilfskraft im Büro, wo das höchste Karriereziel das finden eines Mannes zu sein scheint. Die wenigen Frauen, die berufliche Erfolge haben werden entweder von den Männern nicht ernst genommen oder verängstigen diese. Ich kann das natürlich nicht selbst beurteilen, doch Mad Men wird zugeschrieben, sehr originalgetreu in der Darstellung der Lebenssituation der 60er zu sein. Es ist erstaunliche, wie wir heute vieles als schockierend empfinden, was noch vor 50 Jahren zum Alltag gehörte.

Passend dazu sah ich diese Woche im Kino zudem einen hervorragenden Film, der ebenfalls in den 60ern spielt. Es handelt sich um das Regiedebut des Modedesigners Tom Ford, A Single Man. Die Verfilmung des Romans von Christopher Isherwoods Roman ist eines der besten Filme, die ich seit langem gesehen habe. Dabei sticht vor allem die Ästhetik des Films hervor. Das kann zwar von einem Designer erwartet werden, doch alles stimmt: die Requisite, die Musik, die Bilder, die schauspielerische Leistung. Gleichzeitig transportiert die Geschichte über einen schwulen Mann, der nach dem Verlust seines langjährigen Lebenspartnern mit Suizidgedanken spielt, auf unspektakuläre Weise eine vielschichtige Gefühlswelt. Man verlässt nach dem Film das Kino zugleich berührt, mitgenommen und erfreut über dieses schöne Kinoerlebnis. Sehr empfehlenswert!


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